Schäden beim Umzug: Empfindliche Haftpflichtkosten bei Wiederherstellung beschädigter Wandverkleidung

Wie gut man fährt, wenn man eine Haftplichtversicherung hat, zeigt der folgende Fall, der vor dem Landgericht Koblenz (LG) landete. Eher schlecht gefahren ist hier der Schädiger mit dem Fahrstuhl - im Rahmen seines Umzugs mit so einigen sperrigen Einrichtungsgegenständen. Denn die zwei Kratzer, die er hinterließ, waren "klein, aber oho".

Wie gut man fährt, wenn man eine Haftplichtversicherung hat, zeigt der folgende Fall, der vor dem Landgericht Koblenz (LG) landete. Eher schlecht gefahren ist hier der Schädiger mit dem Fahrstuhl - im Rahmen seines Umzugs mit so einigen sperrigen Einrichtungsgegenständen. Denn die zwei Kratzer, die er hinterließ, waren "klein, aber oho".

Der Mieter nutzte beim Auszug den Personenaufzug (Baujahr 2015), der von innen mit Edelstahl ausgekleidet war, und verursachte an der Rückwand und der linken Seitenwand des Aufzugs jeweils einen Kratzer. Der Vermieter behauptete nun, zur Wiederherstellung des Aufzugs sei ein vollständiger Austausch der Seiten- und Rückwand erforderlich, was insgesamt einen Reparaturaufwand in Höhe von 13.550 EUR verursache. Die Haftpflichtversicherung des Mieters zahlte 5.000 EUR. Der Vermieter klagte den Rest ein.

Und das LG konnte nicht anders, als dem geschädigten Vermieter Recht zu geben. Denn nach der Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens stand fest, dass eine Schadensbeseitigung aus technischen Gründen tatsächlich nur durch den Austausch der beschädigten Edelstahlverkleidungen und durch den Ersatz gleichwertiger Originalteile möglich ist. Auch waren die erforderlichen Kosten nicht unverhältnismäßig. Zwar handelte es sich nur um eine "optische" Beeinträchtigung, die aber nach den Ausführungen des Sachverständigen deutlich erkennbar war. Auch scheitert ein Abzug "neu für alt". Mit der Wiederherstellung der beschädigten Wandverkleidungen geht weder eine Verbesserung des Aufzugs noch eine Verlängerung seiner Lebensdauer einher.

Hinweis: Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Vieles spricht jedoch dafür, dass sie korrekt ist.


Quelle: LG Koblenz, Urt. v. 24.04.2023 - 4 O 98/21
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 09/2023)

Trotz eigenständigen Vertrags: Mit der Wohnung angemietete Garage kann nicht getrennt gekündigt werden

Wer Wohnraum anmietet, freut sich, wenn zusätzlich eine Garage zur Verfügung steht. Dass diese Zusatzkosten verursacht, versteht sich von selbst. Aber dafür einen eigenen Vertrag abzuschließen, mutet ungewöhnlich an. Darf diese Garage denn auch gekündigt werden, wenn die Nutzung der Garage in einem eigenständigen Vertrag neben dem Wohnungsmietvertrag geregelt wurde, wenn man weiterhin im Mietobjekt wohnen bleibt? Diese Frage wurde kürzlich vom Amtsgericht Hanau (AG) beantwortet.

Wer Wohnraum anmietet, freut sich, wenn zusätzlich eine Garage zur Verfügung steht. Dass diese Zusatzkosten verursacht, versteht sich von selbst. Aber dafür einen eigenen Vertrag abzuschließen, mutet ungewöhnlich an. Darf diese Garage denn auch gekündigt werden, wenn die Nutzung der Garage in einem eigenständigen Vertrag neben dem Wohnungsmietvertrag geregelt wurde, wenn man weiterhin im Mietobjekt wohnen bleibt? Diese Frage wurde kürzlich vom Amtsgericht Hanau (AG) beantwortet.

Eine Vermieterin schloss mit Mietern einen Wohnraummietvertrag und zudem einen zweiten Mietvertrag über eine Garage, die sich auf demselben Grundstück befand. Dann kündigte die Vermieterin den Garagenmietvertrag und forderte die Mieter zur entsprechenden Rückgabe auf. Als sich die Mieter weigerten, klagte die Vermieterin auf Herausgabe der Garage - mit wenig Erfolg.

Eine getrennte Kündigung nur der Garage ohne Kündigung der Wohnung ist nach Ansicht des AG nicht möglich. Auf den Umstand, dass zwei Vertragsurkunden verwendet wurden, kam es nicht an. Es ist ersichtlich, dass die Mieter sowohl die Wohnung als auch die Garage gemeinsam mieten wollten. Es wäre auch praxisfern, anzunehmen, dass ein Mieter die mit der Wohnung zusammen angemietete Garage nicht so lange nutzen will, wie er in der Wohnung wohnt. Maßgeblich ist zudem, dass der Bundesgerichtshof eine untrennbare Verbindung der Mietverträge sieht, sobald sich Wohnung und Garage - wie hier - auf demselben Grundstück befinden. Daher konnte die Vermieterin die Garage nicht separat kündigen.

Hinweis: Vermieter sollten sich dieses Urteil genau anschauen. Im Regelfall bringt der Abschluss getrennter Verträge gar nichts, da diese nicht einzeln kündbar sind.


Quelle: AG Hanau, Urt. v. 05.05.2023 - 32 C 172/22 (12)
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 09/2023)

Zugewandtes Grundstück veräußert: Annahme eines Vermächtnisses durch konkludentes Handeln

Ein Vermächtnisnehmer kann das ihm zugedachte Vermächtnis durch ausdrückliche Erklärung annehmen. Ob aber bereits sein Handeln Rückschlüsse darauf zulässt, dass das Vermächtnis angenommen werden soll, klärte das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) kürzlich anhand des folgenden Falls.

Ein Vermächtnisnehmer kann das ihm zugedachte Vermächtnis durch ausdrückliche Erklärung annehmen. Ob aber bereits sein Handeln Rückschlüsse darauf zulässt, dass das Vermächtnis angenommen werden soll, klärte das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) kürzlich anhand des folgenden Falls.

Die Erblasser - zwei Eheleute - hatten sich im Rahmen eines Erbvertrags wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt. Die drei gemeinsamen Kinder wurden jeweils zu gleichen Teilen zu Schlusserben eingesetzt. Bezüglich des gemeinsamen Sohns wurde zudem eine Vermächtnisanordnung getroffen: Ein im Eigentum der Eheleute stehendes Haus sollte ihm im Voraus und ohne Anrechnung auf den Erbteil vermacht werden. Der Sohn wurde gleichzeitig zum Testamentsvollstrecker für den Vollzug des Vermächtnisses berufen. Darüber hinaus hatten die Eheleute für den Sohn in einer weiteren notariellen Urkunde bereits eine General- und Vorsorgevollmacht erstellt. Diese Vollmacht berechtigte den Sohn, Grundbesitz der Eltern zu veräußern. Nach dem Tod des Vaters - aber noch zu Lebzeiten der Mutter - veräußerte der Sohn unter Berufung auf die Generalvollmacht das ihm bereits vermachte Grundstück. Der Erwerber zahlte den Kaufpreis unmittelbar an den Sohn. Noch vor dem Vollzug des Kaufvertrags verstarb die Mutter. Die übrigen Miterben waren der Ansicht, dass der Bruder den vereinnahmten Kaufpreis herauszugeben habe, der Verkaufserlös müsse unter den Erben aufgeteilt werden. Es handele sich auch nicht um die Erfüllung des Vermächtnisses, da der Bruder dieses zu keinem Zeitpunkt angenommen habe.

Dieser Ansicht schloss sich das OLG ebenso wenig an wie dessen Vorinstanz. Auch wenn die Veräußerung noch zu Lebzeiten der Mutter erfolgte, befand sich das Grundstück zum Zeitpunkt ihres Todes noch im Nachlass, weshalb die Erbengemeinschaft dazu verpflichtet gewesen wäre, den Vermächtnisanspruch zu erfüllen. Durch die Veräußerung habe der Sohn das Vermächtnis stillschweigend angenommen. Dies war auch auf der Grundlage der erteilten Generalvollmacht möglich. Der Sohn war nicht dazu verpflichtet, den Weg über die Testamentsvollstreckung zu gehen. Da eine Erfüllung des Vermächtnisses nicht mehr möglich war - die Immobilie war bereits veräußert -, stand dem Sohn auch der finanzielle Ersatz für das Vermächtnis zu.

Hinweis: Ein Vermächtnis kann durch Erklärung gegenüber dem Erben ausgeschlagen werden. Die Erklärung ist nicht formbedürftig oder fristgebunden, sie ist aber erst nach dem Eintritt des Erbfalls möglich.


Quelle: Saarländisches OLG, Urt. v. 10.05.2023 - 5 U 57/22
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 09/2023)

Zulässige Meinungsäußerung: Die angebliche Zusammenarbeit einer Profilerin mit Querdenkerbewegung

Die Abgrenzung zwischen einer Tatsachenbehauptung und einer Meinungsäußerung ist presserechtlich immer wieder Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen - auch in diesem Fall vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG).

Die Abgrenzung zwischen einer Tatsachenbehauptung und einer Meinungsäußerung ist presserechtlich immer wieder Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen - auch in diesem Fall vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG).

Eine sogenannte "Profilerin" trat als Rednerin bei Veranstaltungen auf. Im Zuge einer Teilnahme der Frau als Expertin bei einer Fernsehsendung berichtete eine überregionale Tageszeitung, dass die Frau "mit Anhängern der Querdenkerbewegung" zusammenarbeite. Unstreitig war, dass sie tatsächlich mit vier der dort genannten Personen zusammengearbeitet hatte. Auf einer Verlagswebsite der Profilerin wurden diese Personen nämlich als "handverlesene Autoren" aufgeführt, die auch für den entsprechenden Verlag arbeiten würden. Die Profilerin verlangte von der Tageszeitung dennoch die Unterlassung der Berichterstattung.

Damit kam sie beim OLG nicht weiter. Bei der angegriffenen Äußerung handelte es sich um ein Werturteil - und damit um eine Meinungsäußerung. Der Begriff der Querdenkerbewegung ist unscharf und skizziere "eine äußerst heterogene, nicht klar zu umreißende Initiative, die die Pandemie bzw. das Coronavirus leugnet, Schutzmaßnahmen des Staates zur Bekämpfung und Eindämmung der Coronapandemie ablehnt und dabei auch Verschwörungserzählungen verbreitet", so das Gericht. Die Zeitung hatte aus Äußerungen und Kontakten zu vier im Artikel genannten Personen darauf geschlossen, dass diese Personen der Bewegung zuzuordnen sind, und für diese Einschätzung auch tatsächliche Anhaltspunkte vorgebracht.

Hinweis: Wer gegen Äußerungen in der Presse vorgehen möchte, sollte anwaltlich gut beraten sein.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 28.06.2023 - 16 U 74/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 09/2023)

Zweifamilienhaus mit Vermieter: Kündigungsprivileg greift nicht bei geringem Nutzungsumfang als Ferienwohnung

Bewohnt der Vermieter selbst eine Wohnung im Mietshaus, kann es nicht nur nachbarschaftlich schnell(er) zu Ärger kommen. Sind in dem Haus lediglich zwei Wohnungen, von denen eine vom Vermieter selbst bewohnt wird, kann der Vermieter gemäß § 573a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auch kündigen, ohne einen Kündigungsgrund nachweisen zu müssen. Wann dieser Paragraph greift, war der Kern des Falls vor dem Landgericht Traunstein (LG).

Bewohnt der Vermieter selbst eine Wohnung im Mietshaus, kann es nicht nur nachbarschaftlich schnell(er) zu Ärger kommen. Sind in dem Haus lediglich zwei Wohnungen, von denen eine vom Vermieter selbst bewohnt wird, kann der Vermieter gemäß § 573a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auch kündigen, ohne einen Kündigungsgrund nachweisen zu müssen. Wann dieser Paragraph greift, war der Kern des Falls vor dem Landgericht Traunstein (LG).

In diesem Fall ging es zwar um ein solches Haus - hier allerdings hatte der Vermieter seinen Erstwohnsitz in einer anderen Stadt und nutzte seine Wohnung im betreffenden Haus als Ferienwohnung. Die andere Wohnung war vermietet. Deren Mietern gegenüber sprach er eine Kündigung aus unter Berufung auf den entsprechenden Paragraphen im BGB - also ohne dass er eine besondere Begründung für die Kündigung nachweisen musste. Schließlich legte er eine Räumungsklage ein, und die Sache landete vor dem LG.

Das Gericht befand die Nutzung als Ferienwohnung in nur geringem Umfang - nur alle zwei Monate für ein verlängertes Wochenende - für die erleichterte Kündigungsmöglichkeit nach § 573a BGB als unzureichend. Der zeitliche Umfang war derart gering, dass eine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit von aus dem engen Zusammenleben herrührenden Spannungen nicht besteht. Es gab keine Kündigungsprivilegierung nach § 573a BGB bei nur gelegentlicher Nutzung als Ferienwohnung. Die Kündigung war unwirksam.

Hinweis: Viele Mieter - aber auch Vermieter - wissen nicht, dass Mieter in einem vom Vermieter selbstbewohnten Zweifamilienhaus keinen Kündigungsschutz haben. Das sollte ab sofort beachtet werden. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Es spricht jedoch vieles dafür, dass die Entscheidung richtig ist.
 
 


Quelle: LG Traunstein, Urt. v. 03.05.2023 - 3 S 2451/22
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 09/2023)

"Speed" auf Cannabis: Wer berauscht E-Scooter fährt, riskiert seine Fahrerlaubnis

Wer schon mal auf diesen nervigen Dingern gestanden und damit "Speed" gegeben hat, muss zugeben: E-Scooter können nicht nur doof rumliegen oder -stehen, sondern durchaus Spaß machen. Doch in Verbindung mit dem öffentlichen Straßenverkehr ist Spaß immer arg nüchtern zu betrachten - vor allem, wenn man motorisiert unterwegs ist. Daher sei allen, denen zumindest ihre Fahrerlaubnis wichtig ist, geraten: "Don’t smoke and drive" - und zwar auch nicht auf erlaubnisfreien Fahrzeugen, wie im Folgenden das Verwaltungsgericht Berlin (VG) in seinem Urteil beweist.

Wer schon mal auf diesen nervigen Dingern gestanden und damit "Speed" gegeben hat, muss zugeben: E-Scooter können nicht nur doof rumliegen oder -stehen, sondern durchaus Spaß machen. Doch in Verbindung mit dem öffentlichen Straßenverkehr ist Spaß immer arg nüchtern zu betrachten - vor allem, wenn man motorisiert unterwegs ist. Daher sei allen, denen zumindest ihre Fahrerlaubnis wichtig ist, geraten: "Don’t smoke and drive" - und zwar auch nicht auf erlaubnisfreien Fahrzeugen, wie im Folgenden das Verwaltungsgericht Berlin (VG) in seinem Urteil beweist.

Ein Mann war mit einem E-Scooter im Straßenverkehr unterwegs. Da er jedoch in Schlangenlinien fuhr und dabei mehrfach nah an geparkte Autos geriet, hielt ihn die Polizei an und nahm eine Blutprobe von ihm. Diese wies einen THC-Wert von 4,4 ng/ml auf. Gegenüber den Polizisten äußerte der E-Scooter-Fahrer, jeden Tag Cannabis zu konsumieren und jeden Tag Auto zu fahren - diese Äußerung stellte er im Nachhinein jedoch als nicht ernst gemeint dar. Die Fahrerlaubnisbehörde forderte den Mann dennoch auf, ein Medizinisch-Psychologisches Gutachten (MPU) zu seiner Fahreignung einzureichen. Dieser reagierte nicht, woraufhin ihm mit sofortiger Wirkung die Fahrerlaubnis entzogen wurde. Dagegen wehrte er sich mit einem Antrag.

Das VG hat den Eilantrag des Antragstellers jedoch abgelehnt. Die Fahrerlaubnisbehörde muss demjenigen die Fahrerlaubnis entziehen, der sich als ungeeignet zum Führen von Kfz erweist. Dies war beim Antragsteller anzunehmen, weil er das zu Recht geforderte Gutachten nicht eingereicht hatte. Einer solchen MPU bedurfte es, um zu klären, ob der gelegentlich Cannabis konsumierende Antragsteller nur einmalig seinen Cannabiskonsum vom Führen eines Kfz nicht habe trennen können - oder dies auch in Zukunft nicht tun werde.

Hinweis: Die Vermeidung schwerer Personen- und Sachschäden, die aus Verkehrsunfällen nach Drogeneinnahme resultieren, rechtfertigt den sofortigen Entzug der Fahrerlaubnis. Auch beim (erlaubnisfreien) Fahren mit einem Elektrokleinstfahrzeug wie einem E-Scooter ist das Trennungsgebot zu beachten. Hier war neben dem deutlich überschrittenen THC-Wert erschwerend zu berücksichtigen, dass der Antragsteller bei der Kontrolle durch seine Fahrweise den Straßenverkehr gefährdet und einen regelmäßigen Verstoß gegen das Trennungsgebot auch beim Autofahren eingeräumt hatte.


Quelle: VG Berlin, Beschl. v. 17.06.2023 - VG 11 L 184/23
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 09/2023)

Abgasskandal: Motorhersteller haften nur bei Vorsatz

Wer wie und ob er überhaupt im sogenannten Abgasskandal haftbar zu machen war und ist, scheint immer noch nicht komplett ausverhandelt zu sein. Das zeigt auch dieser Fall, der bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) ging. Es ging es um die Frage, ob Hersteller von Motoren auch haftbar gemacht werden können, wenn es sich dabei nicht gleichzeitig auch um den Fahrzeughersteller handelt.

Wer wie und ob er überhaupt im sogenannten Abgasskandal haftbar zu machen war und ist, scheint immer noch nicht komplett ausverhandelt zu sein. Das zeigt auch dieser Fall, der bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) ging. Es ging es um die Frage, ob Hersteller von Motoren auch haftbar gemacht werden können, wenn es sich dabei nicht gleichzeitig auch um den Fahrzeughersteller handelt.

Der Kläger nahm die Beklagte - die zwar Motorherstellerin, aber nicht Fahrzeugherstellerin ist - wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kfz auf Schadensersatz in Anspruch. Er hatte 2019 von einem Händler ein gebrauchtes Kfz gekauft, das mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Motor der Baureihe EA 897 (Euro 6) ausgerüstet war. Das Fahrzeug war bereits zuvor von einem vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) angeordneten Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung betroffen. Ein von der Beklagten zur Beseitigung der vom KBA beanstandeten Abschalteinrichtung erstelltes Softwareupdate hatte das KBA freigegeben.

Der BGH hat die Klage zurückgewiesen. Zunächst war davon auszugehen, dass der Beklagten selbst keine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung des Klägers zur Last fällt. Die Beklagte habe auch keine vorsätzliche Beihilfe dazu geleistet, dass der Fahrzeughersteller das Fahrzeug vorsätzlich mit einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung - bezogen auf ein in das Fahrzeug verbautes Thermofenster - in den Verkehr gebracht hat. Zwar steht, wie der BGH entschieden hat, dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kfz unter bestimmten Voraussetzungen gegen den Fahrzeughersteller ein Schadensersatzanspruch zu. Die Sonderpflicht, eine mit den (unions-)gesetzlichen Vorgaben konvergierende Übereinstimmungsbescheinigung auszugeben, trifft indessen nur den Fahrzeughersteller, nicht aber den Motorhersteller.

Hinweis: Der Motorhersteller kann, weil er die Übereinstimmungsbescheinigung nicht ausgibt, nach den allgemeinen und durch das Unionsrecht unangetasteten Grundsätzen des deutschen Deliktsrechts weder Mittäter einer Vorsatztat des Fahrzeugherstellers noch mittelbarer Täter hinter dem (gegebenenfalls fahrlässig handelnden) Fahrzeughersteller sein, weil ihn nicht die hierzu erforderliche Sonderpflicht trifft.


Quelle: BGH, Urt. v. 10.07.2023 - VIa ZR 1119/22
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 09/2023)

Alternative Demonstrationsroute: Behinderung und Gefährdung des Verkehrs sprechen gegen Versammlung auf Autobahn

Unser Grundgesetz garantiert das Recht, sich sowohl in geschlossenen Räumen als auch unter freiem Himmel zu versammeln. Eine solche Versammlung unter freiem Himmel - allgemeinhin als Demonstration bezeichnet - muss entgegen aller Unkenrufe zwar nicht genehmigt, aber in aller Regel gemäß Versammlungsgesetz angemeldet werden. Warum? Damit die Ordnungsbehörden einen sicheren und ungestörten Verlauf der Demonstration garantieren können. Und wenn ein solcher Verlauf nicht mehr gesichert werden kann, muss ein Gericht, wie im folgenden Fall das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVG), das letzte Wort sprechen.

Unser Grundgesetz garantiert das Recht, sich sowohl in geschlossenen Räumen als auch unter freiem Himmel zu versammeln. Eine solche Versammlung unter freiem Himmel - allgemeinhin als Demonstration bezeichnet - muss entgegen aller Unkenrufe zwar nicht genehmigt, aber in aller Regel gemäß Versammlungsgesetz angemeldet werden. Warum? Damit die Ordnungsbehörden einen sicheren und ungestörten Verlauf der Demonstration garantieren können. Und wenn ein solcher Verlauf nicht mehr gesichert werden kann, muss ein Gericht, wie im folgenden Fall das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVG), das letzte Wort sprechen.

Im Frühjahr 2023 wollte der Organisator einer Fahrraddemonstration einen Teilabschnitt einer Autobahn nutzen und dabei mit Lautsprechern, Musikboxen, Transparenten, Fahnen und Spruchbändern für sein Anliegen werben. Die zuständige Behörde lehnte die Route über die Autobahn jedoch ab und verwies stattdessen auf eine paralle Route über Landstraßen. Die Behörde gab an, dass der Verkehr auf der Autobahn im Fall einer Sperrung intensiv beeinträchtigt sei und die Autobahn dafür für mindestens fünf bis sieben Stunden gesperrt werden müsse. Den erheblichen Beeinträchtigungen könne nicht durch Umleitungsstrecken begegnet werden. Die Gefahr von Unfällen würde sich erhöhen. Zudem müsse die Autobahn in beiden Fahrtrichtungen gesperrt werden.

Der Eilantrag des Organisators auf Genehmigung wurde zuerst vom Verwaltungsgericht Braunschweig zurückgewiesen - und auch das OVG bestätigte diese Entscheidung. Die spezifische Widmung der Autobahnen für den überörtlichen Kraftfahrzeugverkehr schließt deren Nutzung für Versammlungszwecke zwar nicht generell aus - allerdings kommt eine Nutzung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. Die Wahl der Autobahn als Versammlungsort muss für eine effektive Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit unabdinglich sein. Angesichts der von der Behörde zutreffend ermittelten erheblichen Behinderungen und Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer lag ein solcher Ausnahmefall nicht vor.

Hinweis: Zu berücksichtigen war auch, dass die Behörde eine Alternativroute vorgeschlagen hatte, wodurch ein angemessener Ausgleich zwischen dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit und den Rechten Dritter sowie den betroffenen öffentlichen Belangen hergestellt wurde. Auf dieser parallel zur Autobahn verlaufenden und diese mehrfach kreuzenden Strecke konnte das von der Versammlung verfolgte Anliegen in ausreichend öffentlichkeitswirksamer Weise verwirklicht werden.


Quelle: OVG Lüneburg, Beschl. v. 18.04.2023 - 10 ME 52/23
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 09/2023)

Arbeitsunfähig während Kündigungsfrist: Fehlender Kausalzusammenhang führt zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Es wird stets problematisch, wenn eine Arbeitsunfähigkeit mit der Kündigungsfrist zusammenfällt. Ob der Arbeitnehmer bei seiner Krankmeldung bereits etwas von seiner Kündigung ahnte, blieb in diesem Fall des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen (LAG) ebenso unbeachtet wie eine derartige Mutmaßung des Arbeitgebers. Denn der Arbeitnehmer hatte durch sein Timing alles richtig gemacht.

Es wird stets problematisch, wenn eine Arbeitsunfähigkeit mit der Kündigungsfrist zusammenfällt. Ob der Arbeitnehmer bei seiner Krankmeldung bereits etwas von seiner Kündigung ahnte, blieb in diesem Fall des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen (LAG) ebenso unbeachtet wie eine derartige Mutmaßung des Arbeitgebers. Denn der Arbeitnehmer hatte durch sein Timing alles richtig gemacht.

Ein Arbeitgeber wurde von einem Arbeitnehmer auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verklagt. Der Arbeitnehmer meldete sich am 02.05. krank und legte daraufhin Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) seines behandelnden Arztes für den Zeitraum vom 02.05. bis zum 31.05. mit unterschiedlichen Diagnosen vor. Die Arbeitgeberin kündigte ihrerseits das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 02.05. zum 31.05. Das entsprechende Schreiben ging dem Arbeitnehmer am 03.05. zu. Die Arbeitgeberin verweigerte die Entgeltfortzahlung, da die Krankschreibung und die Kündigungsfrist identisch seien.

Das sah das LAG nicht so, so dass der Arbeitnehmer den Rechtsstreit gewann. Meldet sich der Arbeitnehmer zuerst krank und erhält dann eine arbeitgeberseitige Kündigung, fehlt es in der Regel an dem für die Erschütterung des Beweiswerts der AU notwendigen Kausalzusammenhang.

Hinweis: Wird einem Arbeitnehmer erst gekündigt, und reicht er daraufhin eine AU für den gesamten Zeitraum der Kündigungsfrist ein, kann der Beweiswert einer AU in der Tat erschüttert werden. Das sollten Arbeitnehmer stets im Auge behalten.


Quelle: LAG Niedersachsen, Urt. v. 08.03.2023 - 8 Sa 859/22
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 09/2023)

Demokratie herabgewürdigt: "Reaktionär faschistoidem Staat" ist Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar

Es ist immer wieder erstaunlich, dass sich Mitarbeiter im öffentlichen Dienst zu Vergleichen mit der Nazidiktatur hinreißen lassen. Im Fall vor dem Landesarbeitsgericht München (LAG) ließ sich ausgerechnet eine Referentin für Rundgangführungen im ehemaligen Konzentrationslager Dachau zu einem Faschismusvergleich hinreißen.

Es ist immer wieder erstaunlich, dass sich Mitarbeiter im öffentlichen Dienst zu Vergleichen mit der Nazidiktatur hinreißen lassen. Im Fall vor dem Landesarbeitsgericht München (LAG) ließ sich ausgerechnet eine Referentin für Rundgangführungen im ehemaligen Konzentrationslager Dachau zu einem Faschismusvergleich hinreißen.

Die Frau, die bei einer vom Freistaat Bayern errichteten Stiftung des öffentlichen Rechts als Referentin für Rundgangführungen in der KZ-Gedenkstätte Dachau beschäftigt war, trat auch bei "Anti-Corona-Bewegungen" als Rednerin auf. Wörtlich sagte sie bei einer Demonstration auf dem Münchner Königsplatz Ende Januar 2022: "Wir haben es hier mit der schärfsten Faschisierung im Staat und Gesellschaft zu tun. Seit der Gründung der Bundesrepublik. (...) Und ihr seht die Ignoranz dieses Staates, dieses reaktionär faschistoiden Staates, der meint, er kann sich abschütteln." Als der Arbeitgeber davon erfuhr, kündigte er der Arbeitnehmerin ordentlich zum 30.06.2022, wogegen sie klagte - dies jedoch erfolglos.

Denn wer Führungen in einer KZ-Gedenkstätte wie Dachau macht und die Besucher betreut, darf laut LAG seinen demokratisch gewählten, staatlichen Arbeitgeber nicht mit einem Faschistenstaat gleichstellen. Dadurch wird die Demokratie herabgewürdigt. Die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses war dem Arbeitgeber daher unzumutbar.

Hinweis: Wer für den Staat tätig ist und die Bundesrepublik Deutschland als "reaktionär faschistoiden Staat" bezeichnet, muss mit einer Kündigung rechnen - und das zu Recht.


Quelle: LAG München, Urt. v. 18.07.2023 - 7 Sa 71/23
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 09/2023)