Vertraglich geschuldete Leistung: BGH bejaht Ersatzanspruch von Bonusmeilen bei Reiserücktrittskostenversicherung

Eine Versicherung über eine Reiserücktrittskostenerstattung kann eine sehr sinnvolle Sache sein. Ob man als Reisender darüber auch eingesetzte, aber eben nicht in Anspruch genommene Bonusmeilen erstattet bekommen kann, war eine rechtlich interessante Frage, die final erst vom Bundesgerichtshof (BGH) beantwortet werden konnte.

Eine Versicherung über eine Reiserücktrittskostenerstattung kann eine sehr sinnvolle Sache sein. Ob man als Reisender darüber auch eingesetzte, aber eben nicht in Anspruch genommene Bonusmeilen erstattet bekommen kann, war eine rechtlich interessante Frage, die final erst vom Bundesgerichtshof (BGH) beantwortet werden konnte.

Ein Mann machte als mitversicherte Person Ansprüche aus einer Reiserücktrittskostenversicherung geltend. Der Reiseschutzbrief umfasste unter anderem eine "Reiserücktrittskostenversicherung für die Absicherung eines Reisepreises von 3.000 EUR". Dann buchte der Mann bei einer Fluggesellschaft den Hin- und Rückflug von Deutschland in die USA. Er bezahlte mit Bonusmeilen aus einem von der Fluggesellschaft angebotenen Bonusprogramm. Aufgrund einer Erkrankung musste er dann jedoch die Flugreise stornieren. Die eingesetzten Bonusmeilen wurden ihm jedoch von der Fluggesellschaft entsprechend den vereinbarten Bedingungen nicht erstattet. Daher verlangte er nun von dem Versicherungsunternehmen eine Entschädigung für die eingesetzten Bonusmeilen bis zur versicherungsvertraglich vereinbarten Haftungshöchstsumme von 3.000 EUR. Und die erhielt er auch.

Denn die vom Versicherer im Versicherungsfall zu leistende Entschädigung für die einem Reiseunternehmen vertraglich geschuldeten Rücktrittskosten umfasst auch den Ersatz für Bonusmeilen. Eine Beschränkung auf Geldzahlungen hat der BGH nicht angenommen.

Hinweis: Auch im Reiserecht ist eben nicht jeder Fall wie der andere. Helfen kann in jedem Fall der Rechtsanwalt des Vertrauens.


Quelle: BGH, Urt. v. 01.03.2023 - IV ZR 112/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 06/2023)

Ausnahmevorschrift für Rücktritt: Bei Reisebuchung bereits bekannte Pandemie ist kein "außergewöhnlicher Umstand" mehr

Das "Reisen in Pandemiezeiten" könnte als Rechtsratgeber womöglich bald Regale füllen. Doch noch müssen viele Fälle ausverhandelt werden - so wie der folgende. Hier stellte sich die Frage, ob man von einer Reise zurücktreten kann, die man erst nach dem Pandemieausbruch gebucht hat. Mit der Beantwortung dieser Frage wurde das Landgericht Koblenz (LG) betraut.

Das "Reisen in Pandemiezeiten" könnte als Rechtsratgeber womöglich bald Regale füllen. Doch noch müssen viele Fälle ausverhandelt werden - so wie der folgende. Hier stellte sich die Frage, ob man von einer Reise zurücktreten kann, die man erst nach dem Pandemieausbruch gebucht hat. Mit der Beantwortung dieser Frage wurde das Landgericht Koblenz (LG) betraut.

Ende April 2021 buchte ein Mann für sich und seine Frau eine zweiwöchige Kreuzfahrt im Januar 2022 für über 7.000 EUR. Einen Monat vor Beginn der Kreuzfahrt informierte der Reiseveranstalter, dass der gebuchte Landausgang zum Besuch eines Konzerts wegen coronabedingter Einschränkungen storniert werden müsse. Als das Auswärtige Amt dann das Reiseland sogar als Hochrisikogebiet einstufte, trat der Mann von der Reise zurück und verlangte die Rückerstattung des gezahlten Reisepreises. Der Reiseveranstalter erstattete jedoch nur 10 %. Dagegen klagte der Mann - vergeblich.

Er konnte laut AG nämlich nicht kostenfrei von der gebuchten Reise zurücktreten. Zwar gibt es grundsätzlich eine Ausnahmevorschrift für eine Möglichkeit des Rücktritts vor einem außergewöhnlichen Umstand. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Reise vor dem Ausrufen der Pandemie durch die Weltgesundheitsorganisation am 11.03.2020 gebucht worden war. Das war jedoch nicht der Fall. Wenn eine Buchung trotz des Risikos erfolgt, ist das Eintreten des Risikos nicht mehr "außergewöhnlich", so dass die Möglichkeit eines Rücktritts somit auch nicht mehr besteht.

Hinweis: Wer also nach Beginn der Pandemie gebucht hat, dem kommen wesentlich weniger Rechte zu als demjenigen, der eine Reise vor Ausbruch der Pandemie gebucht hat.


Quelle: LG Koblenz, Urt. v. 01.02.2023 - 3 O 140/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 06/2023)

Verbotene Eigenmacht: Gewaltsamer Zutritt des Vermieters zieht Schadensersatzforderungen nach sich

Der folgende Fall zeigt wieder einmal hervorragend, wie schnell man als Vermieter falsch liegen kann, wenn es ums eigene Recht geht. Dass hier das konsequente Hinzuziehen eines Mietrechtsanwalts anzuraten gewesen wäre, beweist auch das eindeutige Urteil, das vom Oberlandesgericht Hamm (OLG) gesprochen wurde.

Der folgende Fall zeigt wieder einmal hervorragend, wie schnell man als Vermieter falsch liegen kann, wenn es ums eigene Recht geht. Dass hier das konsequente Hinzuziehen eines Mietrechtsanwalts anzuraten gewesen wäre, beweist auch das eindeutige Urteil, das vom Oberlandesgericht Hamm (OLG) gesprochen wurde.

Es ging um ein bebautes Gewerbegrundstück. Der spätere Mieter wollte das Grundstück eigentlich kaufen, doch schließlich einigten sich Interessent und Vermieterin auf einen vorgeschalteten, noch abzuschließenden Mietvertrag für die Dauer von zwei Jahren. Zu einem Verkauf oder zu einem Abschluss des Mietvertrags kam es aber nicht mehr - wohl aber zu einer Übergabe an den Mieter. Mietzahlungen erbrachte dieser jedoch nur in geringem Umfang; er wies darauf hin, dass sich in dem sich auf dem Grundstück befindlichen Wohngebäude ein umfangreicher Schwarzschimmelbefall gezeigt habe. Schließlich kündigte die Vermieterin, und die Parteien einigten sich im Gerichtsprozess darauf, dass der Mieter das Grundstück räumen sollte. Hinsichtlich des ebenfalls streitigen Zahlungsanspruchs beantragten beide Parteien, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Noch vor dem in dem Vergleich vereinbarten Räumungstermin verschaffte sich die Vermieterin jedoch gewaltsam Zutritt zum Wohnhaus, verwies den Mieter des Grundstücks und tauschte die Schlösser aus. Später wurde das Grundstück an einen Dritten verkauft. Schließlich nahm der Mieter die Vermieterin auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von knapp 230.000 EUR in Anspruch. Es ging um Gegenstände, die die Vermieterin rechtswidrig erlangt und abschließend entweder entsorgt oder verkauft habe.

Zwar wurde die Angelegenheit bezüglich der Schadenshöhe an die Vorinstanz zurückverwiesen - dass allerdings ein Anspruch grundsätzlich besteht, hat das OLG hier bereits eindeutig klargemacht. Die Vermieterin ist zum Schadensersatz verpflichtet, da sie vorsätzlich mit verbotener Eigenmacht gehandelt hatte. Das schließt im Übrigen auch die Aufrechnung mit eigenen Schadensersatzansprüchen der Vermieterin aus. Da kein wirksamer Mietvertrag zustande gekommen war, gab es insbesondere auch kein Vermieterpfandrecht der Vermieterin. Außerdem hatte sich die Vermieterin selbst schadensersatzpflichtig gemacht, da sie zu Unrecht zurückgehaltene Sachen des Mieters im Anschluss an die Inbesitznahme veräußert oder entsorgt hatte.

Hinweis: Die Zwangsräumung ist Aufgabe des Gerichtsvollziehers. Vermieter sollten nicht alleine das Recht in die Hand nehmen. Denn das ist nicht nur verboten, sondern häufig auch strafbar.


Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 21.12.2022 - 11 U 119/21
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 06/2023)

Keine Corona-Tests erforderlich: Preisminderung, weil der Gastwirt die Hochzeit erheblich störte

Zweieinhalb Jahre Pandemie hatten dem Restaurantbetreiber zum Zeitpunkt des folgenden Falls sicherlich schwer zugesetzt. Die Gastronomie litt schließlich besonders hart unter den Kontaktverboten, und das Verstärken, Lockern und erneute Verstärken behördlicher Maßnahmen trugen sicherlich nicht zur Klarheit über aktuell geltende Vorgaben bei. Dennoch musste das Amtsgericht München (AG) hier Recht sprechen - und zwar auf Handeln eines Paars hin, das sich durch die übertriebene Vorsicht des Gastwirts um den "schönsten Tag ihres Lebens" gebracht sah.

Zweieinhalb Jahre Pandemie hatten dem Restaurantbetreiber zum Zeitpunkt des folgenden Falls sicherlich schwer zugesetzt. Die Gastronomie litt schließlich besonders hart unter den Kontaktverboten, und das Verstärken, Lockern und erneute Verstärken behördlicher Maßnahmen trugen sicherlich nicht zur Klarheit über aktuell geltende Vorgaben bei. Dennoch musste das Amtsgericht München (AG) hier Recht sprechen - und zwar auf Handeln eines Paars hin, das sich durch die übertriebene Vorsicht des Gastwirts um den "schönsten Tag ihres Lebens" gebracht sah.

Das Ehepaar hatte für Ende Juni 2022 in einer Gaststätte auf Sylt die Ausrichtung einer Hochzeitsfeier gebucht. Am Tag der Hochzeit wurde der Vater der Braut positiv auf Covid getestet. Nun wurden gemeinsam Lösungen gesucht. Der Vater der Braut konnte schließlich in der Art an der Feier teilnehmen, dass er sich im Außenbereich des Restaurants aufhielt und durch ein Fenster der Zeremonie beiwohnen konnte. Das reichte dem Restaurantbesitzer jedoch nicht aus, so dass er vor Einlass in den Innenbereich des Restaurants auch für alle übrigen 76 Gäste einen Corona-Test verlangte. Das Hochzeitspaar akzeptierte die Forderung, um die Feier nicht platzen zu lassen. Sämtliche Gäste wurden daraufhin getestet. Da auch der Vater des Bräutigams dabei positiv getestet wurde, musste er sich zum Vater der Braut in den Außenbereich begeben. Durch die Testung verzögerte sich der Beginn des Abendessens um zwei Stunden. Zudem führt dieses zu erheblichen Auseinandersetzungen innerhalb der Hochzeitsgesellschaft. Schließlich ging es um die Bezahlung der Feier - 20 % des Rechnungsbetrags von etwas über 20.000 EUR behielt das Hochzeitspaar ein. Die Gaststätte verlangte nun den Rest.

Nach Ansicht des AG konnte die Gaststätte jedoch nur 85 % des Rechnungsbetrags verlangen. Denn in den Augen des Gerichts lag eine erhebliche und nicht mehr rechtlich gerechtfertigte Störung durch die Durchführung der Corona-Tests bei allen Gästen vor. Eine gesetzliche Verpflichtung dazu gab es im Zeitpunkt der Hochzeitsfeier nämlich nicht mehr. Nach der damals geltenden Rechtslage waren selbst Kontaktpersonen eines Infizierten nicht einmal mehr zur Isolation verpflichtet, und auch eine Pflicht zur Testung bestand für sie nicht.

Hinweis: Da hat der Inhaber der Gaststätte einiges übertrieben. Corona-Tests waren im Zeitraum nicht (mehr) erforderlich und stellten somit einen erheblichen Mangel bei der Hochzeit dar.


Quelle: AG München, Urt. v. 23.01.2023 - 132 C 12148/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 06/2023)

Sperrung des Facebookkontos: Eilverfahren verhindert Kontolöschung, beschleunigt aber nicht die Freischaltung

Ob man wirklich gehackt wurde oder eher selbstverschuldet einer falschen E-Mail aufgesessen ist? Egal, denn ein falscher Klick und das Social-Media-Konto ist schnell gesperrt - für viele Menschen ein Drama. Was für die meisten unter ihnen den Draht zur Welt bedeutet, ist für andere zudem auch eine Frage der beruflichen Existenz. Was gegen eine solche Sperre zu tun ist und was leider nicht, zeigt der folgende Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG).

Ob man wirklich gehackt wurde oder eher selbstverschuldet einer falschen E-Mail aufgesessen ist? Egal, denn ein falscher Klick und das Social-Media-Konto ist schnell gesperrt - für viele Menschen ein Drama. Was für die meisten unter ihnen den Draht zur Welt bedeutet, ist für andere zudem auch eine Frage der beruflichen Existenz. Was gegen eine solche Sperre zu tun ist und was leider nicht, zeigt der folgende Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG).

Eine Frau hatte ein Facebookkonto, das von Facebook gesperrt und deaktiviert wurde. Grund dafür sei gewesen, dass die sogenannten Standards der Facebookgemeinschaft nicht eingehalten worden seien. Die Frau behauptete jedoch, ihr Konto sei "gehackt" worden, und beantragte daraufhin eine einstweilige Verfügung. Facebook sollte verpflichtet werden, das Konto wiederherzustellen und ihr die Nutzung wieder zu ermöglichen. Außerdem sollte Facebook verboten werden, das Konto unwiederbringlich zu löschen. Das erstinstanzliche Landgericht untersagte Facebook, das Konto unwiederbringlich zu löschen. Eine Nutzungsmöglichkeit gewährte es der Frau jedoch nicht. Dagegen zog die Frau vor das OLG.

Das OLG half ihr aber auch nicht weiter. Wurde ein privat genutztes Facebookkonto aus Sicherheitsgründen gesperrt, hat der Nutzer im Eilverfahren keinen Anspruch auf Freischaltung. Das gilt jedenfalls dann, wenn Facebook bereits die unwiederbringliche Kontolöschung untersagt wurde. Dass der Nutzer vorübergehend bis zum Abschluss eines etwaigen Hauptverfahrens seine privaten Kontakte über Facebook nicht pflegen kann, ist hinzunehmen.

Hinweis: Viele Menschen sind auf Facebookkonten angewiesen, da sie diese beruflich nutzen. Schnell ist zu erkennen, dass diese Fälle nur durch einen Spezialisten gelöst werden können -  im Zweifel durch einen Rechtsanwalt.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 27.03.2023 - 17 W 8/23
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 06/2023)

Negativzinsen: Verwahrentgelte für Einlagen auf Girokonten sind rechtmäßig

Das Thema Negativzinsen sorgt sowohl bei Banken als auch bei Anlegern für Aufregung. Ob von Banken neben Kontoführungsgebühren weitere Entgelte für die reine Verwahrung des Angesparten erhoben werden dürfen, musste das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) beantworten.

Das Thema Negativzinsen sorgt sowohl bei Banken als auch bei Anlegern für Aufregung. Ob von Banken neben Kontoführungsgebühren weitere Entgelte für die reine Verwahrung des Angesparten erhoben werden dürfen, musste das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) beantworten.

Eine Bank führte seit April 2020 für Girokonten neben einer monatlichen Kontoführungsgebühr ein sogenanntes Verwahrentgelt ein, was sie durch Preisaushang in ihren Geschäftsräumen den Kunden mitgeteilt hat. Im Fall der Neuanlage/Neuvereinbarung sollten die Kunden für Einlagen von über 10.000 EUR somit ein Entgelt in Höhe von 0,5 % pro Jahr zahlen. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hielt dies für rechtswidrig und klagte dagegen - ohne Erfolg.

Die Bank durfte laut OLG bei Neuanlagen auf Girokonten neben einer monatlichen Kontoführungsgebühr durchaus ein Verwahrentgelt von ihren Kunden verlangen. Die sogenannten Negativzinsen bei Girokonten können also rechtmäßig sein. Bei dem Entgelt für die Verwahrung handelt es sich um ein Entgelt für eine Hauptleistung und nicht um ein solches für eine bloße Nebenleistung zur Erbringung von Zahlungsdienstleistungen. Auch eine daneben berechnete Kontoführungsgebühr steht dem also nicht entgegen.

Hinweis: Sogenannte Strafzinsen auf Girokonten können - wenn die Bank alles richtig macht - rechtmäßig sein. Es kommt (wie immer!) auf den Einzelfall an. Wegen der Bedeutung der Sache wurde die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.


Quelle: OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2023 - I-20 U 16/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 06/2023)

Amtsgerichtsurteil erhält Sachrüge: Geschwindigkeitsmessung durch nachfahrendes Polizeimotorrad in Schräglage braucht Fixpunke

Im folgenden Fall, der dem Oberlandesgericht Hamm (OLG) vorgelegt wurde, musste es sich mit dem Urteil eines Amtsgerichts (AG) befassen. Dieses hatte einen Biker wegen zu schnellen Fahrens sowie riskanten Überholens verurteilt. Probleme hierbei machten sowohl die etwas ungewöhnlichere Messmethode als auch das hierfür erstellte Gutachten, das die Messdaten durch das erfolgte Hinterherfahren eigentlich stützen sollte - genau: "eigentlich".

Im folgenden Fall, der dem Oberlandesgericht Hamm (OLG) vorgelegt wurde, musste es sich mit dem Urteil eines Amtsgerichts (AG) befassen. Dieses hatte einen Biker wegen zu schnellen Fahrens sowie riskanten Überholens verurteilt. Probleme hierbei machten sowohl die etwas ungewöhnlichere Messmethode als auch das hierfür erstellte Gutachten, das die Messdaten durch das erfolgte Hinterherfahren eigentlich stützen sollte - genau: "eigentlich".

Der betreffende Motorradfahrer befuhr eine Landstraße und überholte einen vor ihm fahrenden Pkw. Dabei wurde er von einem hinterherfahrenden Polizeimotorrad gemessen - es wurde eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 41 km/h festgestellt. Zudem wurde ein Überholvorgang dokumentiert, der nicht ohne Gefährdung des Gegenverkehrs abgeschlossen werden konnte. Daraufhin erging ein Bußgeldbescheid in Höhe von 370 EUR, und es wurde ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Dagegen legte der Betroffene Einspruch ein. Denn er war der Ansicht, die Messung sei durch Hinterherfahren in Schräglage nicht verwertbar. Das zuständige AG stimmte zwar zu, dass es sich nicht um ein standardisiertes Verfahren handelte und von daher ein Gutachten einzuholen sei. Aber auf Basis eben jenes Gutachtens wurde der Betroffene dann auch verurteilt.

Dieses Urteil hob das OLG nun jedoch auf. Zwar sei es richtig, dass bei einer solchen Messung nicht von einem standardisierten Verfahren ausgegangen werden könne. Daher sei das Gutachten zu Recht eingeholt worden. Es müsse aber bei einer Messung durch Nachfahren genau festgelegt werden, welche Fixpunkte Beginn und Ende der Messung definieren, welchen Abstand sie voneinander hatten und in welcher Zeit das Motorrad diese Distanz zurücklegte. Bei dem zweiten Vorwurf des Überholens trotz unübersichtlicher Stelle müssen genaue Feststellungen zur Übersichtlichkeit der Strecke erfolgen - auch das sei hier nicht der Fall gewesen. Die Sache wurde zur weiteren Feststellung an das AG zurückverwiesen.

Hinweis: Eine Geschwindigkeitsermittlung durch Nachfahren ist grundsätzlich möglich. Erfolgt die Ermittlung mit einem Fahrzeug mit nicht justiertem Tachometer, ist regelmäßig ein erster Toleranzabzug von der abgelesenen Geschwindigkeit von 10 % zuzüglich 4 km/h für mögliche Eigenfehler des Tachometers sowie ein weiterer Toleranzabzug zwischen 6 % und 12 % der abgelesenen Geschwindigkeit erforderlich, um weiteren Fehlerquellen, wie Ablesefehler, sowie solchen Fehlern zu begegnen, die aus Abstandsveränderungen und/oder der Beschaffenheit des Fahrzeugs resultieren.


Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 09.01.2023 - III-5 RBs 334/22
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 06/2023)

Wohnungseigentümergemeinschaft: Teil der Erhaltungsrücklage darf in eine Liquiditätsrücklage umgewidmet werden

Die Erhaltungsrücklage dient - so deutet es schon der Name bereits an - als finanzieller Puffer einer Wohnungseigentümergemeinschaft für anstehende Instandhaltungsmaßnahmen. Ob aus einer solchen Erhaltungsrücklage auch Entnahmen zur Bildung einer "Liquiditätsrücklage" getätigt werden dürfen, musste das Amtsgericht Köln (AG) nach Zweifeln einer Eigentümerin an einer solchen beschlossenen Umwidmung beantworten.

Die Erhaltungsrücklage dient - so deutet es schon der Name bereits an - als finanzieller Puffer einer Wohnungseigentümergemeinschaft für anstehende Instandhaltungsmaßnahmen. Ob aus einer solchen Erhaltungsrücklage auch Entnahmen zur Bildung einer "Liquiditätsrücklage" getätigt werden dürfen, musste das Amtsgericht Köln (AG) nach Zweifeln einer Eigentümerin an einer solchen beschlossenen Umwidmung beantworten.

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) beschloss zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft im Fall von finanziellen Engpässen die Bildung einer Liquiditätsrücklage in Höhe von 200.000 EUR pro Jahr. Um diese Summe aufzubringen, sollte die bestehende Erhaltungsrücklage in dieser Höhe aufgelöst werden. Der Betrag sollte dauerhaft auf dem Girokonto verbleiben. Dagegen klagte eine Eigentümerin.

Das AG hat den Beschluss der WEG jedoch bestätigt. Es kann durchaus einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechen, einen Teil der Erhaltungsrücklage in eine Liquiditätsrücklage umzuwidmen. Das gilt selbst dann, wenn Erhaltungsmaßnahmen anstehen, deren voraussichtliche Kosten den Betrag der vorhandenen Erhaltungsrücklage deutlich übersteigen.

Hinweis: Stets sollte eine sogenannte eiserne Reserve in der Rücklage verbleiben. Wie hoch diese sein sollte,  kommt aber stets auf den Einzelfall an.


Quelle: AG Köln, Urt. v. 17.01.2023 - 215 C 48/22
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 06/2023)

Fehlfunktion der Parkplatzschranke: Wer als Betreiber nicht regelmäßig eine Wartung veranlasst, haftet voll

Der folgende Fall des Oberlandesgerichts Naumburg (OLG) zeigt auf, welche Gefahr droht, wenn man Wartungen und Überprüfungen von technischen Anlagen nicht ernst genug nimmt und dafür keinerlei entsprechende Unterlagen vorlegen kann. Dann haftet der Betreiber im Ernstfall auch ohne weitere Anhaltspunkte für die Schäden eines Unfalls.

Der folgende Fall des Oberlandesgerichts Naumburg (OLG) zeigt auf, welche Gefahr droht, wenn man Wartungen und Überprüfungen von technischen Anlagen nicht ernst genug nimmt und dafür keinerlei entsprechende Unterlagen vorlegen kann. Dann haftet der Betreiber im Ernstfall auch ohne weitere Anhaltspunkte für die Schäden eines Unfalls.

Ein Mann befuhr mit seinem Wohnmobil einen privaten Parkplatz, der mit einer Schranke gesichert war und dessen Öffnen und Schließen durch das Überfahren einer Induktionsschleife ausgelöst wurde. Das Befahren erfolgte ohne Probleme, als der Fahrer den Parkplatz allerdings verlassen wollte, passierte das Unglück - die Schranke schlug auf das Dach des Wohnmobils. Der Geschädigte forderte vom Parkplatzbetreiber Schadensersatz. Er habe sich genau an die Anleitung gehalten, die auf einem Schild an der Ausfahrt ausgehängt war. Der Schaden könne daher nur durch einen Defekt an der Schrankenanlage verursacht worden sein. Offenbar sei der Betreiber seiner Wartungspflicht nicht nachgekommen. Der Betreiber verweigerte jedoch die Zahlung, denn seines Erachtens sei der Schaden dadurch entstanden, dass der Geschädigte mit dem Wohnmobil vor der Schranke rangiert habe.

Entgegen dieser Auffassung sprach das OLG dem Geschädigten den begehrten Schadensersatz zu. Denn nach Auffassung des Gerichts konnte nicht nachgewiesen werden, dass der Betreiber die Schranke überhaupt habe überprüfen oder warten lassen. Auch ohne Störfälle muss der Betreiber eine solche Anlage kontrollieren und warten lassen. Daher lag eine Pflichtverletzung vor - und der Betreiber haftet voll.

Hinweis: Fällt die vom Geschädigten behauptete Pflichtverletzung ausschließlich in den Verantwortungsbereich des Schädigers, obliegt es diesem mitzuteilen, wie er seinen Verantwortungsbereich organisiert hat und dabei seinen Verkehrssicherungspflichten (hier im Fall: Einhaltung der DIN-Normen) nachgekommen ist.


Quelle: OLG Naumburg, Urt. v. 29.12.2022 - 9 U 100/22
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 06/2023)

Ungeschickte Verwalterwahl: Eigentümerversammlung sollte an möglichst neutralen Orten stattfinden

Regelmäßige Eigentümerversammlungen sind vorgeschrieben, wo diese stattzufinden haben, aber nicht. Dass sie vom Verwalter besser auf einigermaßen neutralem Ort ausgestaltet werden sollten, zeigt der folgende Fall. Denn das Landgericht Frankfurt am Main (LG) musste bewerten, ob Beschlüsse rechtmäßig getroffen wurden, wenn eine der Eigentümerparteien sich mit dem anberaumten Versammlungsort nicht hat arrangieren können und daher fernblieb. Ob starrsinnig oder nachvollziehbar - lesen Sie selbst.

Regelmäßige Eigentümerversammlungen sind vorgeschrieben, wo diese stattzufinden haben, aber nicht. Dass sie vom Verwalter besser auf einigermaßen neutralem Ort ausgestaltet werden sollten, zeigt der folgende Fall. Denn das Landgericht Frankfurt am Main (LG) musste bewerten, ob Beschlüsse rechtmäßig getroffen wurden, wenn eine der Eigentümerparteien sich mit dem anberaumten Versammlungsort nicht hat arrangieren können und daher fernblieb. Ob starrsinnig oder nachvollziehbar - lesen Sie selbst.

An der Eigentümerversammlung sollten eigentlich drei Personen teilnehmen: der Verwalter und die beiden (untereinander zerstrittenen) Eigentümerinnen. Als Versammlungsort wählte der Verwalter ausgerechnet die Terrasse der einen Eigentümerin. Diese Terrasse lag zwar auf Gemeinschaftseigentum, wurde faktisch jedoch nur von der einen Eigentümerin genutzt. Deshalb war auch nur die Nutzerin der Terrasse da, die andere Eigentümerin blieb der Versammlung fern. Trotzdem wurden auf der Eigentümerversammlung Beschlüsse gefasst. Dagegen wehrte sich die andere Eigentümerin, die an der Versammlung nicht teilgenommen hatte. Sie meinte, der Versammlungsort sei für sie unzumutbar gewesen. Und damit lag sie richtig.

Auch laut LG ist die Teilnahme an einer Eigentümerversammlung auf der Terrasse einer Miteigentümerin, mit der die andere Eigentümerin seit Jahren im Streit liegt, auch dann unzumutbar, wenn die Terrasse zwar im Gemeinschaftseigentum liegt, aber faktisch alleine von der Miteigentümerin genutzt wird. Deshalb waren sämtliche auf dieser Versammlung gefassten Beschlüsse unwirksam.

Hinweis: Kein Verwalter sollte Orte für Eigentümerversammlungen wie in diesem Fall wählen. Denn wie man sieht, macht das Entscheidungen nur angreifbar.


Quelle: LG Frankfurt am Main, Urt. v. 02.02.2023 - 2-13 S 80/22
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 06/2023)