Gleichstellungsbeauftragte: Generell erteilte Zustimmung reicht für befristete Einstellung eines Lehrers aus

In vielen Bundesländern müssen neben dem Personalrat auch die Gleichstellungsbeauftragten bei Einstellungen zustimmen - so auch in Nordrhein-Westfalen (NRW), wo sich der folgende Fall zugetragen hat. Hier war es am Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) zu entscheiden, ob die Befristung eines Arbeitsverhältnisses unwirksam ist, wenn die Gleichstellungsbeauftragte bei der Einstellung nicht beteiligt worden ist.

In vielen Bundesländern müssen neben dem Personalrat auch die Gleichstellungsbeauftragten bei Einstellungen zustimmen - so auch in Nordrhein-Westfalen (NRW), wo sich der folgende Fall zugetragen hat. Hier war es am Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) zu entscheiden, ob die Befristung eines Arbeitsverhältnisses unwirksam ist, wenn die Gleichstellungsbeauftragte bei der Einstellung nicht beteiligt worden ist.

Der befristet beschäftigte Lehrer meinte, seine Befristung wäre unwirksam, da insbesondere die Gleichstellungsbeauftragte bei seiner Einstellung nicht beteiligt worden sei. Deshalb sei er unbefristet zu beschäftigen. Zwar ist es grundsätzlich richtig, dass in NRW neben dem Personalrat auch die Gleichstellungsbeauftragte einer Einstellung zustimmen muss. Hier aber hatte das zuständige Dezernat der Bezirksregierung mit den Gleichstellungsbeauftragten aller Schulformen eine Vereinbarung geschlossen. Danach erteilten die Gleichstellungsbeauftragten die - im Einzelfall widerrufliche - Zustimmung. Ein mögliches Rückholrecht bestand im Einzelfall zudem.

Das LAG hielt die Befristung daher für rechtmäßig und wies die Klage ab. Nach dem nordrhein-westfälischen Recht sind solche Verfahrensvereinbarungen ausdrücklich vorgesehen. Alleine der Umstand, dass die Gleichstellungsbeauftragte im konkreten Fall nicht von der Befristung des Arbeitsvertrags unterrichtet wurde, stand der Wirksamkeit der Befristung angesichts der generellen Zustimmung zu auch befristeten Einstellungen nicht entgegen.

Hinweis: Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Vieles spricht jedoch dafür, dass die Entscheidung richtig ist.


Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 19.05.2023 - 7 Sa 770/22
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Abwicklungs- statt Dauertestamentsvollstreckung: Entlassung aus dem Amt als Testamentsvollstreckerin wegen grober Pflichtverletzungen

Testamentsvollstrecker können von den Erblassern mit unterschiedlichen Aufgaben im Hinblick auf die Aufgabe selbst, aber auch in Bezug auf die Dauer der Testamentsvollstreckung betraut werden. Das Oberlandesgericht München (OLG) musste sich mit der Abberufung einer Testamentsvollstreckerin aus ihrem Amt beschäftigen, die sich hierbei nicht an die Vorgaben hielt.

Testamentsvollstrecker können von den Erblassern mit unterschiedlichen Aufgaben im Hinblick auf die Aufgabe selbst, aber auch in Bezug auf die Dauer der Testamentsvollstreckung betraut werden. Das Oberlandesgericht München (OLG) musste sich mit der Abberufung einer Testamentsvollstreckerin aus ihrem Amt beschäftigen, die sich hierbei nicht an die Vorgaben hielt.

Der Erblasser hatte in seinem notariellen Testament verfügt, dass seine zweite Ehefrau und seine Kinder aus erster Ehe zu Miterben eingesetzt werden. Die Ehefrau ernannte er zur Testamentsvollstreckerin. Insoweit heißt es in dem Testament: "Ich ordne zur Abwicklung meines Nachlasses Testamentsvollstreckung an: Mit der Abwicklung des Nachlasses ist die Testamentsvollstreckung beendet. Verkaufsverhandlungen über meine Doppelhaushälfte in Grünwald, (...), führt ausschließlich meine Ehefrau. Sie legt die Bedingungen des Verkaufs und den Zeitpunkt des Verkaufs eigenverantwortlich fest, ohne dass ihr die anderen Erben Weisungen erteilen können." In der Folge verkaufte die Testamentsvollstreckerin die Immobilie aber nicht - sie vermietete diese vielmehr und erhielt die Mieteinnahmen auf ihr privates Konto. Der Antrag der Kinder des Erblassers auf Entlassung der Ehefrau aus dem Amt der Testamentsvollstreckerin war erfolgreich.

Auch das OLG sah in dem Verhalten der Ehefrau eine grobe Pflichtverletzung, die zu einer Entlassung aus dem Amt als Testamentsvollstreckerin führte. Zum einen handelte es sich laut dem Testament um eine Abwicklungsvollstreckung und nicht - wie die Ehefrau meinte - um eine Dauertestamentsvollstreckung. Allein der Umstand, dass der Erblasser keine Frist für die Veräußerung gesetzt hatte, änderte an dieser Tatsache nichts. Die Abwicklung hatte mit "tunlicher Beschleunigung" zu erfolgen. Darüber hinaus sah das OLG auch in der Vereinnahmung der Mieten in das private Vermögen der Ehefrau eine unzulässige Vermischung, die eine weitere grobe Pflichtverletzung darstellte.

Hinweis: Auch Mietsicherheiten (Kautionen) müssen vom Vermögen des Testamentsvollstreckers separat verwahrt werden.


Quelle: OLG München, Beschl. v. 25.05.2023 - 33 Wx 36/23 e
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Chaos durch Nachlassgericht: OLG Celle rügt grobe Unrichtigkeit richterlicher Erbscheine

Auch Gerichte machen Fehler. Und nach Ansicht des Oberlandesgerichts Celle (OLG) nehmen diese Fehler im Bereich des Erbrechts im Land Niedersachsen derart zu, dass das Ansehen der Justiz in Gefahr scheint. Was war passiert? So einiges, wie Sie hier lesen können.

Auch Gerichte machen Fehler. Und nach Ansicht des Oberlandesgerichts Celle (OLG) nehmen diese Fehler im Bereich des Erbrechts im Land Niedersachsen derart zu, dass das Ansehen der Justiz in Gefahr scheint. Was war passiert? So einiges, wie Sie hier lesen können.

Die Eheleute hatten im Jahr 2019 ein gemeinschaftliches Testament mit folgendem Wortlaut aufgesetzt: "Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen Erben ein. Der Erstversterbende vermacht dem überlebenden Ehegatten an seinem gesamten Nachlass den Nießbrauch auf Lebenszeit. Der einzige Erbe nach dem Längstlebenden von uns ist unser Sohn, der das Haus und Guthabenbeträge auf der Bank und Sparkonten vorweg erhalten soll."

Nach dem Tod des Ehemanns im Jahr 2022 beantragte die überlebende Ehefrau einen Alleinerbschein. Gleichzeitig beantragte der Sohn ebenfalls einen Erbschein "bezüglich des Hauses und der Guthaben bei den Banken". Mit Datum vom 16.02.2023 wurde ein "gemeinschaftlicher Erbschein" ausgestellt: Der Erblasser sei von der Ehefrau und dem Sohn beerbt worden. Die Ehefrau "hat den gesamten Nachlass des Erblassers beerbt, mit Ausnahme des Anteils des Erblassers des Grundbesitzes sowie der Guthabenbeträge auf der Bank". Der Sohn "beerbt den Erblasser bezüglich dessen Guthabenbeträgen auf der Bank sowie seines Anteils an dem Grundbesitz".

Auf Veranlassung durch das Grundbuchamt hat das Nachlassgericht - zwischenzeitlich war ein Richterwechsel erfolgt - den Erbschein wegen offensichtlicher Unrichtigkeit eingezogen. In der Folge erließ das Nachlassgericht einen weiteren Erbschein, wonach der Erblasser von der Ehefrau und dem Sohn je zu 1/2 Anteil beerbt worden sei.

Auf die Beschwerde des Sohns hin wurde auch dieser Erbschein durch das Nachlassgericht nach einem weiteren Richterwechsel eingezogen, weil er aufgrund gesetzlicher Erbfolge erteilt worden sei. Nunmehr kam das Nachlassgericht zu der Erkenntnis, dass der Erblasser allein durch seine Ehefrau aufgrund des Testaments beerbt worden sei.

Das OLG hatte in dem Fall einiges zu kritisieren. Der erste Erbschein verkenne die Grundlagen des Erbrechts. Das Vermögen des Erblassers geht insgesamt und ungeteilt auf den oder die Erben über. Eine Erbeinsetzung auf bestimmte Gegenstände gibt es - anders als der Erbschein unterstellt - nicht. Geht das Vermögen des Erblassers nicht auf einen Alleinerben über, sondern auf mehrere Erben, erben diese weder einzelne Gegenstände noch Miteigentumsanteile an den Erbschaftsgegenständen, sondern quotenmäßig bestimmte Anteile am gesamten Nachlass. Auch der zweite Erbschein war grob fehlerhaft, da er ohne ersichtlichen Grund von einer gesetzlichen Erbfolge ausgegangen sei. Das gemeinschaftliche Testament der Eheleute wurde vollständig ignoriert. Darüber hinaus war ein solcher gemeinschaftlicher Erbschein zu keinem Zeitpunkt beantragt worden. Das OLG hat das Verfahren an das Nachlassgericht zurückverwiesen.

Hinweis: Stellt sich ein erteilter Erbschein im Nachhinein als unrichtig heraus, ist er von Amts wegen einzuziehen.


Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 19.06.2023 - 6 W 65/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Kein Mitbestimmungsrecht: Betriebsrat muss bei Gehaltskürzung seines Vorsitzenden nicht gefragt werden

Hintergrund dieses Verfahrens ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom Anfang des Jahres, wonach die Vergütung von Betriebsräten bei Volkswagen viel zu hoch gewesen ist. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG) wurde daher mit der Beantwortung der Frage beauftragt, ob es sich bei der Gehaltskürzung eines freigestellten Betriebsratsvorsitzenden um eine Umgruppierung gehandelt habe, an der der Betriebsrat hätte beteiligt werden müssen.

Hintergrund dieses Verfahrens ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom Anfang des Jahres, wonach die Vergütung von Betriebsräten bei Volkswagen viel zu hoch gewesen ist. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG) wurde daher mit der Beantwortung der Frage beauftragt, ob es sich bei der Gehaltskürzung eines freigestellten Betriebsratsvorsitzenden um eine Umgruppierung gehandelt habe, an der der Betriebsrat hätte beteiligt werden müssen.

Es ging um ein Großkraftwerk mit 500 Arbeitnehmern und einem elfköpfigen Betriebsrat. Der Betriebsratsvorsitzende, der bereits 1994 in den Betriebsrat gewählt wurde, war seit dem Jahr 1998 von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt. Vorsitzender des Betriebsrats wurde er im März 2002. Bis zu seiner Freistellung war er als Schlosser tätig und wurde nach dem Haustarifvertrag eingruppiert und bezahlt. Seit 2006 wurde er als außertariflicher Angestellter geführt und vergütet. Im Jahr 2011 erhielt er sogar noch einen Dienstwagen mit privater Nutzungsmöglichkeit. Mitte letzten Jahres kürzte das Unternehmen dann die Vergütung des Betriebsratsvorsitzenden und entzog ihm den Dienstwagen.

Die Vergütung sei nach Auffassung des Arbeitgebers auf Grundlage der Vergütungsentwicklung derjenigen Arbeitnehmer zu ermitteln, die mit dem Betriebsratsvorsitzenden vor dessen Amtsantritt als Betriebsrat vergleichbar gewesen sind. Außerdem seien die Regelungen aus dem Haustarifvertrag zu beachten. Das Betriebsratsgremium meinte nun, dass es sich bei der Vergütungskürzung um eine Umgruppierung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes handeln würde. Bei Umgruppierungen sei jedoch der Betriebsrat zu beteiligen. Daher leitete dieser ein Beschlussverfahren ein und verlangte, dass er bei der Kürzung der Vergütung seines Vorsitzenden mitzubestimmen hätte.

Das LAG sah dies anders. Das Unternehmen musste den Betriebsrat nicht beteiligen. Der Betriebsratsvorsitzende übte schließlich gar keine Tätigkeiten aus, die in Anwendung einer einschlägigen kollektiven Vergütungsordnung im Sinne einer Eingruppierung bzw. Umgruppierung hätte bewertet werden können. Die Ermittlung des Vergleichsentgelts und die hierauf erfolgte Vergütungskürzung beruhten vielmehr auf einer bloßen Durchschnittsberechnung der von anderen Arbeitnehmern bezogenen Vergütung.

Hinweis: Das Gericht hat ausdrücklich nicht über die Frage entschieden, ob die Gehaltskürzung und der Entzug des Dienstwagens rechtmäßig waren. Das wird vermutlich Gegenstand eines weiteren Gerichtsverfahrens zwischen dem Betriebsratsvorsitzenden und dem Unternehmen sein.


Quelle: LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.05.2023 - 12 TaBV 1/23
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Für E-Fahrzeuge mit Parkschein! Zwei übereinanderhängende Zusatzzeichen bedingen einander

Die Unterschiede von "übereinander" und "nebeneinander" sind in diesem Fall, der vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG) landete, womöglich von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Dass bereits höchstrichterlich entschieden wurde, dass sich ein Zusatzzeichen auf das unmittelbar über ihm befindliche Verkehrszeichen bezieht, gilt sogar für den Fall, dass sich ein weiteres Zusatzzeichen dem vorigen anschließt. Zu kompliziert? Dann lesen Sie selbst.

Die Unterschiede von "übereinander" und "nebeneinander" sind in diesem Fall, der vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG) landete, womöglich von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Dass bereits höchstrichterlich entschieden wurde, dass sich ein Zusatzzeichen auf das unmittelbar über ihm befindliche Verkehrszeichen bezieht, gilt sogar für den Fall, dass sich ein weiteres Zusatzzeichen dem vorigen anschließt. Zu kompliziert? Dann lesen Sie selbst.

Anfang des Jahres 2019 wurde ein kraftstoffbetriebenes Fahrzeug abgeschleppt, weil es verbotswidrig geparkt war. An der Stelle erlaubte ein Verkehrszeichen zwar das Parken, jedoch wurde dies mit einem Zusatzzeichen auf Elektrofahrzeuge beschränkt. Ein weiteres - unter dem ersten Zusatzzeichen - angebrachtes Zusatzzeichen regelte ferner, dass dafür zudem ein Parkschein erforderlich sei. Der Fahrzeughalter war jedoch der Auffassung, dass beide Zusatzzeichen eine alternative Parkerlaubnis regelten, und erhob daher gegen den Kostenbescheid Klage. Netter Versuch, doch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (VG) wies seine Klage ab.

Das OVG bestätigte die Entscheidung des VG und ließ die Berufung daher nicht zu. Der Kostenbescheid sei rechtmäßig, da die Abschleppmaßnahme rechtmäßig war. Der Kläger hat gegen die auf Elektrofahrzeuge mit Parkschein beschränkte Parkerlaubnis verstoßen. Diese Parkregelung war für jedermann erkennbar. Das weitere Zusatzzeichen sei als Zusatzzeichen des Zusatzzeichens anzusehen - regelt also eine zusätzliche Bedingung für ein ordnungsgemäßes Parken und stellt keine Alternative zur ersten Bedingung dar. Die Abschleppmaßnahme war nach Auffassung des OVG daher auch verhältnismäßig.

Hinweis: Es lag eine Verkehrsbehinderung vor, da der Parkplatz und somit die Ladestation für gesetzlich privilegierte Elektrofahrzeuge für die Dauer des Parkvorgangs des Klägers nicht zur Verfügung gestanden haben. Es komme dabei nicht darauf an, ob konkret in diesem Zeitraum ein Bedarf bestanden hat oder weitere Parkplätze mit Ladestationen frei waren.


Quelle: OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 13.04.2023 - 5 A 3180/21
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Zwangsvollstreckung bei Mietschulden: Kein Recht auf Erteilung eines Erbscheins bei Schulden, die erst nach dem Tod entstanden sind

Das Recht zur Erteilung eines Erbscheins an den oder die Erben kann sicher als der Regelfall betrachtet werden. Allerdings kann auch der Gläubiger eines Erblassers einen Erbschein beantragen, soweit er diesen zum Zweck einer Zwangsvollstreckung benötigt. Doch in diesem Fall des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) wurde ein entscheidendes Detail übersehen.

Das Recht zur Erteilung eines Erbscheins an den oder die Erben kann sicher als der Regelfall betrachtet werden. Allerdings kann auch der Gläubiger eines Erblassers einen Erbschein beantragen, soweit er diesen zum Zweck einer Zwangsvollstreckung benötigt. Doch in diesem Fall des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) wurde ein entscheidendes Detail übersehen.

Denn hier hatte der Erblasser Mietschulden hinterlassen, die erst nach seinem Tod entstanden sind. Der Gläubiger hatte daraufhin gegen zwei von vier gesetzlich in Betracht kommende Erben Vollstreckungsbescheide erwirkt und beantragte die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der die vier Enkel als Erben ausweisen sollte.

Sowohl das Nachlassgericht als auch das OLG lehnten den Antrag jedoch unter anderem aus formalen Gründen ab. Der Gläubiger berufe sich gerade nicht darauf, Ansprüche gegen den Erblasser zu haben. Der Gläubiger hat vielmehr die Titel unmittelbar gegen dessen vermeintliche Erben für Mietschulden erwirkt, die erst nach dem Tod des Erblassers entstanden sind. Daher gebe es kein Antragsrecht auf Erteilung eines Erbscheins durch den Gläubiger.

Hinweis: Anders wäre es, wenn es sich um Schulden gehandelt hätte, die bereits vor dem Tod des Erblassers entstanden waren, oder der Gläubiger bereits einen Vollstreckungstitel gegen den Erblasser erwirkt hat.


Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 19.06.2023 - 3 W 55/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Mangelnder Ermittlungseifer: Fahrtenbuchauflage aufgehoben, nachdem Naheliegendes liegenblieb

Wer sich als Privatperson auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft, möchte zumeist Ehepartner, eingetragene Lebenspartner, direkte Verwandte oder Verschwägerte, Pflegeeltern oder auch Pflegekinder schützen. Bei dieser  Ahndung einer Ordnungswidrigkeit ersparten sich Straßenverkehrsbehörde und Kreis aber weitere Gedanken, warum sich eine Fahrzeughalterin mit eben jenem Grund weigerte, als Zeugin an der Ermittlung des Fahrers mitzuwirken. Der daraufhin erteilten Fahrtenbuchauflage machte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG) zu Recht einen Strich durch die Rechnung.

Wer sich als Privatperson auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft, möchte zumeist Ehepartner, eingetragene Lebenspartner, direkte Verwandte oder Verschwägerte, Pflegeeltern oder auch Pflegekinder schützen. Bei dieser  Ahndung einer Ordnungswidrigkeit ersparten sich Straßenverkehrsbehörde und Kreis aber weitere Gedanken, warum sich eine Fahrzeughalterin mit eben jenem Grund weigerte, als Zeugin an der Ermittlung des Fahrers mitzuwirken. Der daraufhin erteilten Fahrtenbuchauflage machte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG) zu Recht einen Strich durch die Rechnung.

Mit dem Pkw der Klägerin wurde die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts um 26 km/h überschritten - eine Ordnungswidrigkeit, die regelmäßig mit einem Bußgeld in Höhe von 180 EUR, einem Punkt im Fahreignungsregister sowie im Wiederholungsfall mit einem Monat Fahrverbot geahndet wird. Auf dem Radarfoto war statt der Frau jedoch ein junger Mann als Fahrer zu erkennen. Die schriftlich als Zeugin befragte Klägerin berief sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht. Nachdem der Außendienst der beklagten Straßenverkehrsbehörde die Klägerin an ihrem Wohnort nicht angetroffen hatte, wurde das Bußgeldverfahren eingestellt. Daraufhin verpflichtete der Kreis die Klägerin, für die Dauer von zwölf Monaten ein Fahrtenbuch zu führen. Im hiergegen eingeleiteten Klageverfahren machte die Klägerin geltend, der Fahrer sei ihr in ihrem Haushalt lebender Sohn gewesen, und über eine Auskunft der Meldebehörde und einen Abgleich des Tatbilds - etwa mit dessen Personalausweisfoto - wäre es ohne weiteres möglich gewesen, ihn als Fahrer zu identifizieren.

Das OVG hat die Fahrtenbuchauflage aufgehoben und der Klage stattgegeben. Eine Fahrtenbuchauflage kommt nur in Betracht, wenn die Täterfeststellung nach einem Verkehrsverstoß unmöglich gewesen ist. Dies war im vorliegenden Fall nach Auffassung der Richter jedoch nicht der Fall. Der Bußgeldbehörde lag ein klares Tatfoto vor. Dass die Klägerin sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berief, sprach für einen Täter aus dem Familienkreis. Daher hätte es nahegelegen, zumindest bei der Meldebehörde zu erfragen, ob Familienangehörige unter derselben Anschrift wie die Klägerin wohnen, die nach Geschlecht und Alter als Fahrer in Betracht kommen. Auf Grundlage dieser Information hätten dann womöglich Lichtbilder aus dem Personalausweisregister für einen Fotoabgleich angefordert werden können. Dies wäre ohne nennenswerten Aufwand möglich gewesen.

Hinweis: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und wenig erfolgversprechende Ermittlungen zu betreiben, wenn der Fahrzeughalter die Mitwirkung an der Ermittlung der für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Person ablehnt und auch sonst keine konkreten Ermittlungsansätze vorliegen. Naheliegenden und unaufwendigen Ermittlungsansätzen muss die Behörde aber nachgehen.


Quelle: OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 31.05.2023 - 8 A 2361/22
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter: Regelvermutung für die Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen

Wie in einem Uhrwerk können auch auf unseren Straßen bereits die kleinsten (Zahn-)Räder große Schäden anrichten. Das sollte jedem erwachsenen Verkehrsteilnehmer bewusst sein - besonders dann, wenn dieser nachweislich eine Fahrprüfung erfolgreich absolviert hat. In disem Fall musste das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) daher auch entscheiden, ob eine Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter den Entzug der Fahrerlaubnis nach sich ziehen kann. Wer sich daran erinnert, wie es sich sogar mit den Folgen einer Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad verhalten kann, ahnt, wie die Antwort ausfiel.

Wie in einem Uhrwerk können auch auf unseren Straßen bereits die kleinsten (Zahn-)Räder große Schäden anrichten. Das sollte jedem erwachsenen Verkehrsteilnehmer bewusst sein - besonders dann, wenn dieser nachweislich eine Fahrprüfung erfolgreich absolviert hat. In disem Fall musste das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) daher auch entscheiden, ob eine Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter den Entzug der Fahrerlaubnis nach sich ziehen kann. Wer sich daran erinnert, wie es sich sogar mit den Folgen einer Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad verhalten kann, ahnt, wie die Antwort ausfiel.

Der Angeklagte hatte sich spontan dazu entschlossen, nach einem Kneipenbesuch einen E-Scooter für die Heimfahrt zu nutzen. Seine Blutalkoholkonzentration lag bei mindestens 1,64 ‰. Das erstinstanzliche Amtsgericht (AG) hatte ihn daraufhin zwar wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe und einem Fahrverbot von sechs Monaten verurteilt. Die Fahrerlaubnis wurde dem Angeklagten jedoch nicht entzogen. Hiergegen wandte sich die Amtsanwaltschaft mit einer sogenannten Sprungrevision, mit der das Rechtsmittel der Revision direkt gegen erstinstanzliche Entscheidungen der unteren Gerichte eingelegt und die Zweitinstanz übersprungen wird.

Das OLG hat das Urteil dahingehend aufgehoben, dass das AG die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Bestimmung einer Sperrfrist für die Neuerteilung abgelehnt hatte. Denn nach Ansicht des OLG war die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen, da sich aus der Tat ergibt, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet war. Es besteht weder Raum für ein Ermessen des Tatrichters noch findet eine Verhältnismäßigkeitsprüfung statt. Der Umstand, dass der Angeklagte nicht Auto, sondern E-Scooter gefahren ist, sei unerheblich. Auch der Hinweis des AG, dass die Benutzung eines E-Scooters durch einen betrunkenen Fahrer andere Menschen nicht in gleichem Maße gefährde wie die Trunkenheitsfahrt eines Kraftfahrzeugfahrers, überzeugte das OLG nicht. Der Sturz eines Fußgängers oder Radfahrers könne ganz erhebliche, unter Umständen sogar tödliche Verletzungen verursachen, insbesondere bei Ausweichmanövern stärker motorisierter Verkehrsteilnehmer durch alkoholbedingte Fahrfehler eines E-Scooter-Fahrers. Der Angeklagte hat durch seine gedankenlose Nutzung eines E-Scooters in erheblich alkoholisiertem Zustand die Katalogtat der fahrlässigen Trunkenheitsfahrt erfüllt und sich damit als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.

Hinweis: Die Begehung einer Trunkenheitsfahrt - wie hier - begründet eine Regelvermutung für die Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen, § 69 Strafgesetzbuch. Nur wenn sich die Tatumstände von denen eines Durchschnittsfalls deutlich abheben, kann in seltenen Ausnahmefällen von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen werden. Mit der Entziehung der Fahrerlaubnis soll nicht nur verhindert werden, dass der Täter weiterhin betrunken Kraftfahrzeuge fährt. Bezweckt wird vielmehr ganz allgemein der Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 08.05.2023 - 1 Ss 276/22
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Vorverstorbener Schlusserbe: Im Zweifel werden Zuwendungen auf die Abkömmlinge erstreckt

Die Auslegung von letztwilligen Verfügungen spielt in der täglichen Praxis der Rechtsanwendung eine entscheidende Rolle. Je genauer die Formulierung in einem Testament ist, desto weniger Raum für eine Auslegung verbleibt. So dachte es sich im Fall des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) auch der Sohn einer Erblasserin, als dieser einen Erbschein beantragte, der ihn als namentlich benannten Alleinerben auswies.

Die Auslegung von letztwilligen Verfügungen spielt in der täglichen Praxis der Rechtsanwendung eine entscheidende Rolle. Je genauer die Formulierung in einem Testament ist, desto weniger Raum für eine Auslegung verbleibt. So dachte es sich im Fall des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) auch der Sohn einer Erblasserin, als dieser einen Erbschein beantragte, der ihn als namentlich benannten Alleinerben auswies.

Die Erblasserin hatte mit ihrem Ehemann aus zweiter Ehe ein Testament errichtet, in dem die beiden Söhne namentlich als Schlusserben eingesetzt worden sind. Vor dem Tod der Erblasserin war ein Sohn bereits verstorben. Dies veranlasste das Nachlassgericht dazu, den bereits erteilten Alleinerbschein mit der Begründung einzuziehen, dieser sei offensichtlich unrichtig, da neben dem verbliebenen Sohn der Erblasserin auch der Sohn des vorverstorbenen Schlusserben - der Enkel der Erblasserin - Miterbe geworden sei. Hiergegen wendete sich der Sohn der Erblasserin jedoch erfolglos.

Zuwendungen an einen Abkömmling werden kraft Gesetzes im Zweifel auf dessen Abkömmlinge erstreckt, wenn der ursprünglich Bedachte nach Errichtung des Testaments weggefallen ist. Das Gesetz geht davon aus, dass der Erblasser den Bedachten in erster Linie wegen seiner Eigenschaft als Abkömmling eingesetzt hat, weshalb auch die Erstreckung auf dessen Abkömmlinge der gesetzlichen Vermutung entspricht. Das OLG konnte daher keine Gründe feststellen, die gegen eine solche Vermutung sprechen.

Hinweis: Will ein Erblasser genau diesen Eintritt der gesetzlichen Vermutung verhindern, muss dies ausdrücklich im Testament erklärt werden.


Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 20.06.2023 - 3 W 41/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Motiv statt Bedingung: Urlaubsantritt als Anlass zur Testamentserstellung

Wieder einmal musste gerichtlich über die inhaltliche Interpretation eines Testaments entschieden werden. In dem Verfahren vor dem Landgericht Hagen (LG) ging es darum, ob der vorliegende letzte Wille der Erblasserin sich nur auf eine bestimmte Bedingung - nämlich das Versterben während eines anstehenden Urlaubs - bezog oder aber darüber hinaus Gültigkeit haben sollte.

Wieder einmal musste gerichtlich über die inhaltliche Interpretation eines Testaments entschieden werden. In dem Verfahren vor dem Landgericht Hagen (LG) ging es darum, ob der vorliegende letzte Wille der Erblasserin sich nur auf eine bestimmte Bedingung - nämlich das Versterben während eines anstehenden Urlaubs - bezog oder aber darüber hinaus Gültigkeit haben sollte.

Die Beteiligten stritten über Pflichtteilsansprüche nach dem Tod der Erblasserin. Die Parteien waren die beiden einzigen Kinder der Erblasserin, die 2021 verstarb. Das Testament der Erblasserin aus dem Jahr 1998 besagte, dass ihr Haus an ihre Tochter geht, während ihre Enkelkinder unter bestimmten Bedingungen Ansprüche auf das Haus erheben können. Einleitend heißt es in dem Testament: "Im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte lege ich hiermit meinen letzten Willen fest. Das gilt für den Fall, dass ich nicht aus meinem Urlaub zurückkomme." Der Sohn schlug die Erbschaft nach dem Tod der Mutter aus und forderte die Schwester auf, ein Nachlassverzeichnis vorzulegen. Im Raum stand nun die Frage, ob es sich bei der Formulierung bezüglich des Urlaubs um eine Bedingung handelte, die für die folgende Verfügung maßgeblich gewesen sei, oder aber, ob es sich lediglich um das Motiv der Erblasserin für die Erstellung eines Testaments gehandelt habe.

Das LG entschied, dass die Erwähnung der Urlaubsreise lediglich den Anlass für die Errichtung darstellte und das Testament unbedingt gelten sollte - ohne an das Versterben während einer Urlaubsreise geknüpft zu sein. Die Auslegung des Testaments legte nahe, dass es sich um eine Motivangabe handelte und somit keine echte Bedingung für die Gültigkeit des Testaments vorlag. Die inhaltlichen Regelungen des Testaments zeigten zudem keinen Zusammenhang mit der Todesart oder dem Todeszeitpunkt der Erblasserin. Weiterhin verwies das LG darauf, dass die Erblasserin das Testament über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahrzehnten unverändert gelassen hatte, was darauf hindeutete, dass es insgesamt für ihre Erbfolge maßgeblich sein sollte. Das LG verpflichtete die Schwester schließlich zur Auskunft über den Nachlass, da sie aufgrund des Testaments zur Alleinerbin eingesetzt worden war und dem Bruder nach wie vor Pflichtteilsansprüche zustanden. Auf die Ausschlagung der Erbschaft kam es nicht mehr an.

Hinweis: Eine Erbschaftsausschlagung zum Zweck der Geltendmachung des Pflichtteils geht ins Leere, wenn der Pflichtteilsberechtigte testamentarisch von der Erbfolge ausgeschlossen ist.


Quelle: LG Hagen, Urt. v. 02.06.2023 - 4 O 265/22
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)