Als Vertragsstrafe wertbar: Zahlungsbedingungen machen 20-%-Skontoklausel bei Einbauküchenkauf unzulässig

Wer bei einem mehr als 20%igen Skonto nicht zuschlägt und keine Küche kauft, ist selbst schuld! So in etwa darf man den Gedankengang eines Küchenstudios wohl nachzeichnen, wenn man sich diesen Fall ansieht, der vor dem Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG) landete. Doch so großzügig das Angebot auf den ersten Blick auch erschien, auf den zweiten Blick erwies es sich als unzulässig.

Wer bei einem mehr als 20%igen Skonto nicht zuschlägt und keine Küche kauft, ist selbst schuld! So in etwa darf man den Gedankengang eines Küchenstudios wohl nachzeichnen, wenn man sich diesen Fall ansieht, der vor dem Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG) landete. Doch so großzügig das Angebot auf den ersten Blick auch erschien, auf den zweiten Blick erwies es sich als unzulässig.

Ein Ehepaar hatte sich im Küchenstudio eine Einbauküche nebst Elektrogeräten bestellt. In der Auftragsbestätigung hatte das Küchenstudio einen Gesamtpreis von 70.000 EUR sowie einen "Skontobetrag" von 15.000 EUR für den Fall der vollständigen Zahlung bis zum Tag der Lieferung und Rechnungsstellung ausgewiesen. Bei Lieferung und Montage der Küche erhielt das Ehepaar eine Rechnung, die auf seinen Hinweis unter anderem bei der Höhe der Mehrwertsteuer korrigiert wurde. Etwa eine Woche nach Erhalt der korrigierten Rechnung überwiesen die Eheleute den um den "Skontobetrag" reduzierten Betrag bis auf einen Restbetrag von knapp 3.000 EUR unter Verweis auf noch ausstehende Arbeiten. Wenige Tage später wiesen sie auch diesen Betrag an, nachdem das Küchenstudio ihnen mitgeteilt hatte, der Skontoabzug setze eine vollständige Zahlung voraus. Nach Mängelrügen und darauffolgenden Nachbesserungsarbeiten stellte das Studio den Eheleuten etwa drei Monate nach der ersten Rechnungslegung schließlich einen weiteren Betrag von etwa 1.000 EUR für Arbeiten, die bei Montage der Küche erledigt worden waren, in Rechnung. Nun aber war Schluss mit der Geduld des Ehepaars, so dass das Küchenstudio diesen Betrag sowie den von den Beklagten in Abzug gebrachten "Skontobetrag" einklagen musste - dies allerdings vergeblich.

Das OLG erklärte die Vertragsklausel für unwirksam. Denn eine derartige Klausel, nach der sich der Preis für die Lieferung und Montage einer Einbauküche nur dann um über 20 % reduziert, wenn der Kunde den reduzierten Küchengesamtpreis bis zum Tag der Lieferung und Rechnungsstellung zahlt, sei schlichtweg unzulässig. Der "Skontobetrag" kann in diesem Fall aufgrund seines Umfangs und im Verhältnis zum Gesamtküchenpreis nämlich als unzulässige Vertragsstrafe gewertet werden.

Hinweis: Die Klausel war also unwirksam, und deshalb schuldeten die Käufer lediglich den als "Sonderpreis" vereinbarten Betrag - also den Preis abzüglich des Skontobetrags. Nach einem entsprechenden Hinweisbeschluss des OLG nahm das Küchenstudio die Berufung zurück.


Quelle: OLG Zweibrücken, Urt. v. 26.06.2024 - 5 U 38/23
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 11/2024)

Namenlose Erben: Grundbuchamt darf auf Vorlage eines Erbscheins bestehen

Wer sich zu Lebzeiten im Zuge seines letzten Willens mit Vor- und Nacherben beschäftigt, beugt vor. Doch die Namen der Enkelkinder sind im Folgenden ein gutes Beispiel dafür, trotz guter Vorsorge nicht alles vorhersagen zu können. Das Kammergericht (KG) in Berlin musste sich damit befassen, was Nacherben machen müssen, um als solche anerkannt zu werden, wenn sie nicht namentlich im Testament benannt wurden.

Wer sich zu Lebzeiten im Zuge seines letzten Willens mit Vor- und Nacherben beschäftigt, beugt vor. Doch die Namen der Enkelkinder sind im Folgenden ein gutes Beispiel dafür, trotz guter Vorsorge nicht alles vorhersagen zu können. Das Kammergericht (KG) in Berlin musste sich damit befassen, was Nacherben machen müssen, um als solche anerkannt zu werden, wenn sie nicht namentlich im Testament benannt wurden.

Der bereits im Jahr 1980 verstorbene Erblasser hatte in einem notariellen Testament aus dem Jahr 1978 seine namentlich benannten Kinder als Vorerben und deren namentlich nicht benannten Kinder als Nacherben eingesetzt. Eben diese Nacherben beantragten nun beim zuständigen Grundbuchamt die Änderung der Eigentumsverhältnisse nach dem Tod der Vorerben. Das Grundbuchamt war der Ansicht, dass die Nacherben hierzu einen Erbschein vorlegen müssen. Gegen diese Zwischenverfügung des Grundbuchamts legten die Nacherben Beschwerde ein.

Das KG bestätigte jedoch, dass in den Fällen, in denen in einer öffentlichen Verfügung von Todes wegen namentlich nicht bezeichnete Kinder als Erben bestimmt werden, das Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins oder eines europäischen Nachlasszeugnisses verlangen könne. Die Vorlage von Geburtsurkunden und eidesstattliche Versicherungen reichten hingegen nicht aus, um die Erbfolge nachzuweisen. Mit den Geburtsurkunden könne nur der Nachweis erbracht werden, dass die Nacherben Kinder des Vorerben sind. Ein Nachweis darüber, dass es nicht auch noch andere Kinder nach dem Vorerben gibt, kann hingegen dadurch nicht geführt werden.

Hinweis: Im Gegensatz zum Grundbuchamt ist das Nachlassgericht befugt, eine eidesstattliche Versicherung mit dem Inhalt, dass die Erklärenden die einzigen Kinder des Erblassers sind, entgegenzunehmen und zu berücksichtigen.


Quelle: KG, Beschl. v. 09.07.2024 - 1 W 27/24
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 11/2024)

Kompetenzgerangel: BGH erklärt Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf Verwalter für zulässig

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft muss dem Gesetz nach einen Verwalter bestellen. Doch dann kann der Ärger erst richtig losgehen, denn über den Kompetenzumfang eines Verwalters kommt es zwischen Eigentümern immer wieder zu Differenzen. So auch in diesem Fall, bei dem der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden musste, ob einem Verwalter die mit einem Beschluss eingeräumten Befugnisse auch zustehen.

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft muss dem Gesetz nach einen Verwalter bestellen. Doch dann kann der Ärger erst richtig losgehen, denn über den Kompetenzumfang eines Verwalters kommt es zwischen Eigentümern immer wieder zu Differenzen. So auch in diesem Fall, bei dem der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden musste, ob einem Verwalter die mit einem Beschluss eingeräumten Befugnisse auch zustehen.

Wohnungseigentümer hatten im Zuge einer geplanten Erneuerung der Außenfenster beschlossen, einen Sachverständigen mit der Begutachtung der Fenster und der Erstellung eines Prioritätenplans nach Dringlichkeit zu beauftragen. Nachdem der Sachverständige alles erledigt hatte, beschlossen die Wohnungseigentümer, den Sachverständigen auch mit der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen, der Einholung von Angeboten und der Fertigung eines Preisspiegels zu beauftragen. In einer Eigentümerversammlung informierte die Verwalterin darüber, dass mehrere Anbieter ihre Angebote zurückgezogen hätten und die verbliebene Anbieterin mitgeteilt habe, dass sie im Jahr 2022 weder einen Austausch vornehmen noch eine Bestellung entgegennehmen könne, so dass die Preise für den Austausch nicht kalkulierbar seien. Infolgedessen wurde folgender Beschluss gefasst: "Die Verwaltung wird ermächtigt, die Erneuerung der Fensteranlagen nach folgenden Maßgaben zu beauftragen: Es soll ein Austausch nach Dringlichkeit erfolgen. Vorab sollen nochmal drei Angebote eingeholt werden. Der Umfang des jährlichen Budgets für 2022 soll bei 35.000 EUR brutto liegen. Die Fenster sollen der Optik der bisherigen Fensteranlagen entsprechen." Gegen diesen Beschluss gingen mehrere Eigentümer vor und erklärten vor Gericht die Anfechtung.

Der Beschluss war jedoch nach Ansicht der BGH-Richter rechtmäßig. Nach dem seit Dezember 2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht haben Wohnungseigentümer die Kompetenz, Entscheidungen über die Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums auf den Verwalter zu delegieren. Die Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses über eine Kompetenzverlagerung setzt nicht voraus, dass in dem Beschluss zugleich ausdrücklich ein für den Verwalter verbindlicher Entscheidungsmaßstab vorgegeben wird.

Hinweis: Wenn eine Eigentümergemeinschaft einen Verwalter bestellt, sollte sie stets klare Regelungen darüber treffen, welche Befugnisse dieser haben darf. Alles andere führt häufig zu Streitigkeiten.


Quelle: BGH, Urt. v. 05.07.2024 - V ZR 241/23
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 11/2024)

Gemeinschaftliches Testament: Was zum wirksamen Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung beachtet werden muss

Auch die wechselbezüglichen Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments sind nicht in Stein gemeißelt. Doch wie es das Wort "wechselseitig" bereits vermuten lässt, müssen beide Seiten auch bei Änderungen involviert werden. Das Oberlandesgericht Celle (OLG) musste sich in einem Rechtsstreit über eine Nachlasspflegschaft mit der Wirksamkeit eines Widerrufs beschäftigen.

Auch die wechselbezüglichen Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments sind nicht in Stein gemeißelt. Doch wie es das Wort "wechselseitig" bereits vermuten lässt, müssen beide Seiten auch bei Änderungen involviert werden. Das Oberlandesgericht Celle (OLG) musste sich in einem Rechtsstreit über eine Nachlasspflegschaft mit der Wirksamkeit eines Widerrufs beschäftigen.

Die Eheleute hatten sich in einem gemeinschaftlichen Testament wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt. Noch zu Lebzeiten hatte die Ehefrau dann ein weiteres Einzeltestament erstellt und eine dritte Person als Alleinerben benannt. Dem Ehemann wurde der Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments in Form einer beglaubigten Abschrift der notariellen Beurkundung zugestellt, doch erst zwei Monate nach dem Tod der Erblasserin wurde ihm zudem eine Ausfertigung der Widerrufserklärung zugestellt. Beides reichte nach Ansicht des OLG Celle nicht aus.

Eine wechselbezügliche Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament kann nach Ansicht des OLG nur dann wirksam erfolgen, wenn dem anderen Ehegatten eine Ausfertigung der notariellen Widerrufserklärung zugestellt wird. Eine bloße beglaubigte Abschrift reiche hier nicht aus. Nach dem Tod der Erblasserin erfolgte zwar die Zustellung einer Ausfertigung der Widerrufserklärung - jedoch zu spät, um noch eine rechtliche Wirkung zu erzielen. Es verblieb daher bei der Erbfolge aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute.

Hinweis: Die notariell beurkundete Erklärung - hier der Widerruf der wechselbezüglichen Erklärung - liegt grundsätzlich in der Urschrift der Beurkundung. Im Rechtsverkehr wird sie ersetzt durch eine sogenannte Ausfertigung, während eine beglaubigte Abschrift nur die Übereinstimmung mit der Urschrift bestätigt, nicht aber die Willenserklärung selbst darstellt.


Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 05.06.2024 - 6 W 56/24
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 11/2024)

Hundezuchtrecht vorbehalten? AGB-Klausel mit vertragsstrafenähnlichem Charakter ist unzulässig

Wer Verträge ohne rechtlichen Beistand oder Fachkenntnis erstellt, riskiert, dass sie sich lesen wie Wunschzettel und vor Gericht auch entsprechend behandelt werden. Im Fall vor dem Landgericht Köln (LG) führte eine Züchterin von Rassehunden eine Vertragsklausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) auf, wie mit den von ihr veräußerten Hunden weiterhin wunschgemäß zu verfahren sei - am geltenden Recht vorbei.

Wer Verträge ohne rechtlichen Beistand oder Fachkenntnis erstellt, riskiert, dass sie sich lesen wie Wunschzettel und vor Gericht auch entsprechend behandelt werden. Im Fall vor dem Landgericht Köln (LG) führte eine Züchterin von Rassehunden eine Vertragsklausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) auf, wie mit den von ihr veräußerten Hunden weiterhin wunschgemäß zu verfahren sei - am geltenden Recht vorbei.

Die gewerbliche Hundezüchterin hatte einen Hund für 2.200 EUR verkauft. In den AGB des schriftlichen Kaufvertrags war unter anderem festgehalten, dass der Käufer den fünffachen Kaufpreis zahlen müsse - also 11.000 EUR -, wenn er nicht innerhalb des ersten Jahres nach Übergabe des Tiers schriftlich nachweist, dass dieses nicht zu einer Zucht oder Ähnlichem verwendet wird oder verwendet werden kann (beispielsweise wegen Kastration oder Sterilisation). Ebenso festgehalten war, dass die Käuferin den Hund - sollte sich dieser zur Zucht eignen - für die Zeit der Züchtung an die Verkäuferin aushändigen müsse, da das Zuchtrecht bei der Züchterin verbleibe. Sollte diese allerdings kein Interesse an einem Wurf haben, müsse der Hund unmittelbar kastriert werden. Die Züchterin forderte den Käufer daraufhin mehrfach auf, den Hund untersuchen und die Zuchttauglichkeit durch einen Tierarzt beurteilen zu lassen. Schließlich klagte sie den fünffachen Kaufpreis ein.

Die Klage wurde abgewiesen, denn die Richter des LG hielten die Klausel mit vertragsstrafenähnlichem Charakter für unwirksam. Zum einen seien Fälle denkbar, in denen der Nachweis, dass der Hund nicht zur Zucht geeignet sei, auch aus anderen Gründen nicht fristgerecht vorgelegt werden könne - hier fehlte insbesondere eine Einschränkung für den Fall, dass der Käufer das Fehlen eines Nachweises nicht zu vertreten habe. Zum anderen liege der Klausel zufolge bei bestehender Zuchtmöglichkeit die Wahl, den Hund zur Zucht aufzufordern oder den stark erhöhten Kaufpreis zu verlangen, allein bei der Verkäuferin. Dadurch jedoch werde in die berechtigten Interessen der Käuferin eingegriffen - ein Grund mehr, diese AGB für unwirksam zu erklären.

Hinweis: Wer rechtssichere Kaufverträge nutzen möchte, sollte sie von einem Rechtsanwalt erstellen lassen.


Quelle: LG Köln, Urt. v. 16.07.2024 - 30 O 533/23
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 11/2024)

Konkrete Todeszeitpunkte fehlen: Gesetzliche Vermutung des gleichzeitigen Versterbens eines Ehepaars

Die Frage nach dem Todeszeitpunkt kann gerade bei Eheleuten, die sich wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt haben, eine wichtige Rolle spielen. Was passiert, wenn nicht sicher festgestellt werden kann, wann genau ein Erblasser verstorben und wer Erbe nach dem Verstorbenen geworden ist, musste das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) bewerten.

Die Frage nach dem Todeszeitpunkt kann gerade bei Eheleuten, die sich wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt haben, eine wichtige Rolle spielen. Was passiert, wenn nicht sicher festgestellt werden kann, wann genau ein Erblasser verstorben und wer Erbe nach dem Verstorbenen geworden ist, musste das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) bewerten.

Ein Mann und seine mit ihm verheiratete Frau waren im Zeitraum von mehreren Tagen verstorben. Zunächst stellte das zuständige Amtsgericht Ermittlungen an, um die konkreten Todeszeitpunkte herauszufinden. Doch auch nach Einholung eines rechtsmedizinischen Sachverständigengutachtens konnte nicht sicher festgestellt werden, auf wann genau der jeweilige Todeszeitpunkt von Mann und Frau zu datieren sei. Daher ergab sich aus der gesetzlichen Vermutung die Annahme, dass beide Eheleute gleichzeitig verstorben seien.

Das OLG hat in dem diesbezüglichen Beschwerdeverfahren entschieden, dass im Zweifel davon auszugehen ist, dass die Eheleute, die keine gemeinsamen Kinder haben, gleichzeitig verstorben sind, und verweist hierzu auf eine Regelung aus dem Verschollenheitsgesetz. Die Erblasser wurden daher von ihren jeweiligen gesetzlichen Erben beerbt.

Hinweis: Nach dem Verschollenheitsgesetz besteht eine rechtliche Vermutung, dass mehrere Personen gleichzeitig verstorben sind, wenn nicht bewiesen werden kann, dass eine Person die andere überlebt hat. In einem solchen Fall kann keine der beteiligten Personen die andere beerben.


Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.09.2024 - 14 W 95/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 11/2024)

Neues zur PKH: Wer PKH für Landgerichtsprozesse beantragt, darf auch erst nach Bewilligung auf Anwaltssuche gehen

Wem finanzielle Mittel zur Durchführung von Gerichtsverfahren fehlen, der kann Prozesskostenhilfe (PKH; im Familienrecht und gewerblichen Rechtsschutz auch Verfahrenskostenhilfe, VKH) beantragen. Um diese bewilligt zu bekommen und Mutwilligkeit auszuschließen, ist eine hinreichende Aussicht auf Erfolg eine Grundvoraussetzung. Bei dieser Vorbewertung sollten Gerichte aber stets mit Augenmaß vorgehen, wie das folgende Urteil des Oberlandesgerichts Zweibrücken (OLG) beweist.

Wem finanzielle Mittel zur Durchführung von Gerichtsverfahren fehlen, der kann Prozesskostenhilfe (PKH; im Familienrecht und gewerblichen Rechtsschutz auch Verfahrenskostenhilfe, VKH) beantragen. Um diese bewilligt zu bekommen und Mutwilligkeit auszuschließen, ist eine hinreichende Aussicht auf Erfolg eine Grundvoraussetzung. Bei dieser Vorbewertung sollten Gerichte aber stets mit Augenmaß vorgehen, wie das folgende Urteil des Oberlandesgerichts Zweibrücken (OLG) beweist.

Wer mehr als 5.000 EUR einklagen möchte, kann das nur vor dem Landgericht. Dort herrscht allerdings Anwaltszwang, was naheliegend bedeutet, dass sich Kläger von einem Rechtsanwalt vertreten lassen müssen. Bei entsprechender Gewährung übernimmt der Staat die Prozesskosten, sofern eine Bedürftigkeit vorliegt und vor allem auch eine Aussicht auf Erfolg in der Sache selbst besteht. Nun hatte ein Mann ohne Rechtsanwalt zunächst PKH für ein Klageverfahren beantragt, mit dem er ein Schmerzensgeld von 25.000 EUR erstreiten wollte. Das erstinstanzliche Landgericht hatte den Antrag jedoch mit der Begründung zurückgewiesen, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete mangels anwaltlicher Vertretung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Dagegen legte der Mann sofortige Beschwerde ein.

Das OLG gab dem Mann recht. PKH kann in einem sogenannten Anwaltsprozess nicht einfach mit der Begründung zurückgewiesen werden, dass der Antragsteller einen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht benannt und seine Bemühungen nicht ausreichend dargelegt habe, einen solchen zu finden. Vielmehr ist ein zweistufiges Verfahren geboten: Es ist dem Antragsteller nach (erstens) erfolgter Bewilligung die Gelegenheit zu geben, (zweitens) einen zur Vertretung bereiten Anwalt zu finden.

Hinweis: Im außergerichtlichen Bereich gibt es anstelle der PKH die Beratungshilfe. Eine entsprechende Beratungshilfeberechtigung können Bedürftige beim zuständigen Amtsgericht beantragen und sich dann von einem Rechtsanwalt beraten lassen.


Quelle: OLG Köln, Urt. v. 20.08.2024 - 5 W 44/24
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 11/2024)

Sachmangel beim Altbau: Erhebliche Wandfeuchtigkeit macht Souterrainwohnung unbewohnbar

Zwar können für ein altes Haus andere Regelungen gelten als für einen Neubau, dennoch ist die Sachmängelgewährleistung für alle gleich. Das mussten auch die Verkäufer einer Eigentumswohnung einsehen, die von den Käufern auf Schadensersatz verklagt wurden. Das diesbezügliche Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) war eindeutig und durchaus nachvollziehbar.

Zwar können für ein altes Haus andere Regelungen gelten als für einen Neubau, dennoch ist die Sachmängelgewährleistung für alle gleich. Das mussten auch die Verkäufer einer Eigentumswohnung einsehen, die von den Käufern auf Schadensersatz verklagt wurden. Das diesbezügliche Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) war eindeutig und durchaus nachvollziehbar.

Ein Ehepaar erwarb 1999 zwei im Souterrain eines Altbaus gelegene Eigentumswohnungen. Obwohl sie bei allen Außenwänden eine horizontale Sperre durch chemische Injektion einbringen ließen, kam es danach immer wieder zu Feuchtigkeitsschäden. Im Sommer 2017 holte das Ehepaar das Sanierungsangebot einer Fachfirma ein, in dem es hieß, dass sich in dem Sockelbereich der Wohnungen Feuchtigkeitsschäden zeigten, es keine Verbindung zwischen der Bodenabdichtung und den Wänden gebe und keine Horizontalabdichtung zu erkennen sei. Das reichte ihnen wohl - sie boten die Wohnungen in einem Maklerexpose für 745.000 EUR zum Verkauf an. Darin wurde das Baujahr 1904 mitgeteilt, und die Wohnungen wurden als im Jahr 1999 kernsaniert bezeichnet. In dem Expose hieß es weiter: "Sanierung Mauerwerksfeuchte: Eine Außenwand weist Feuchtemängel auf. Diese Kosten für die Behebung gehen zu Lasten des jeweiligen Eigentümers dieser Wohnung und nicht zu Lasten der Eigentümergemeinschaft. Die Durchführung dieser Sanierung müsste vom Käufer auf dessen Kosten vorgenommen werden. Diese Kosten sind bereits bei der Preisfindung berücksichtigt." Schließlich wurde eine Wohnung zu einem Preis von 675.000 EUR unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel verkauft. Die jetzigen Käufer konnten dann wegen bevorstehender Sanierungsmaßnahmen angeblich erst knapp anderthalb Jahre später in die Wohnung einziehen und verlangten nun als Schadensersatz die von ihnen für eine andere Wohnung aufgebrachten Mietzahlungen in Höhe von über 30.000 EUR zuzüglich Zinsen. Dieses Geld klagten sie erfolgreich ein.

Die Argumentation des BGH leuchtet ein: Als Wohnung verkaufte Räume im Souterrain eines Altbaus, die bei Gefahrübergang erhebliche Wandfeuchtigkeit aufweisen, sind regelmäßig weder für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung noch für die gewöhnliche Verwendung zum Wohnen geeignet und infolgedessen mangelhaft. Die Verkäufer haben hier sogar arglistig diesen Mangel verschwiegen. Die Wohnung war nicht zum Wohnen geeignet. Die Souterrainwohnungen entsprächen wegen der erheblichen Wandfeuchtigkeit nicht der üblichen und zu erwartenden Beschaffenheit einer im Jahr 1904 errichteten Liegenschaft. Die im maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs bestehende erhebliche Feuchtigkeit der Wohnungen stellt vielmehr einen Sachmangel dar. Vorliegend ging es nicht um Kellerräume, sondern um als Wohnungen verkaufte Räumlichkeiten im Souterrain eines Wohngebäudes. Die vertraglich vorausgesetzte Verwendung einer Souterrainwohnung ist das Wohnen, weshalb der Käufer regelmäßig erwarten darf, dass die Wohnung trocken ist, auch wenn sie in einem Altbau gelegen ist.

Hinweis: Wer eine Immobilie mit Mängeln verkaufen möchte, sollte die Mängel auf jeden Fall im notariellen Kaufvertrag festhalten. So kann es später keine Streitigkeiten geben.


Quelle: BGH, Urt. v. 21.06.2024 - V ZR 79/23
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 11/2024)

Wartungskosten: Sonstige Betriebskosten bleiben ohne explizite Umlagevereinbarung reine Vermietersache

Betriebs- bzw. Nebenkosten sind immer wieder Dreh- und Angelpunkt bei Mietrechtsprozessen. In diesem Fall, bei dem es vor dem Amtsgericht Hamburg (AG) um die Betriebskostenabrechnung für einen Supermarkt ging, war wie so oft die Frage, ob die Abwälzung einer darin enthaltenen Position auf die Gewerbemieterin überhaupt rechtens sei.

Betriebs- bzw. Nebenkosten sind immer wieder Dreh- und Angelpunkt bei Mietrechtsprozessen. In diesem Fall, bei dem es vor dem Amtsgericht Hamburg (AG) um die Betriebskostenabrechnung für einen Supermarkt ging, war wie so oft die Frage, ob die Abwälzung einer darin enthaltenen Position auf die Gewerbemieterin überhaupt rechtens sei.

Die Mieterin des Supermarkts hatte eine Betriebskostenabrechnung erhalten, in der auch Kosten für die Wartung von Gasheizung und Lüftungsanlage enthalten waren. Im Mietvertrag hatten sich die Parteien schließlich darauf geeinigt, dass der Betrieb der separaten Heizung Aufgabe der Mieterin sein sollte. Schließlich musste die Vermieterin die Kosten einklagen - dies jedoch vergeblich.

Das AG gab der Mieterin Recht. Es stellte fest, dass keine Umlagevereinbarung für die strittigen Wartungskosten im Mietvertrag existiere. Bei den Wartungskosten der Lüftungsanlage handelt es sich laut Gericht um "sonstige Betriebskosten" im Sinne der Betriebskostenverordnung. Für deren Umlage wäre eine explizite Vereinbarung im Mietvertrag notwendig gewesen - und eben daran fehlte es hier. Entsprechend fehlte es an einer Grundlage, diese Kosten auf die Mieterin umzulegen.

Hinweis: Betriebskostenabrechnungen müssen verständlich sein, und es darf lediglich das umgelegt werden, was das Gesetz vorschreibt. Im Zweifel kann ein Rechtsanwalt dabei behilflich sein, ebenso wie bei der Prüfung einer erhaltenen Betriebskostenabrechnung.


Quelle: AG Hamburg, Urt. v. 26.06.2024 - 49 C 635/23
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 11/2024)

Verbraucherpreisindex irrelevant: Münchner Landgericht erteilt Mieterhöhung über den geltenden Mietspiegel hinaus eine Abfuhr

Dieses Urteil wird sowohl bei Münchner Mietern als auch bei deren Vermietern für Aufmerksamkeit sorgen. Denn der Methode, die Inflation vermieterseitig als Argument hinzuzuziehen, wenn durch eine Mietanpassung der  Mietspiegel überschritten wird, hat das Landgericht München I (LG) eine Abfuhr erteilt. Wer die Miete erhöhen möchte, muss sich nach wie vor an das Gesetz halten.

Dieses Urteil wird sowohl bei Münchner Mietern als auch bei deren Vermietern für Aufmerksamkeit sorgen. Denn der Methode, die Inflation vermieterseitig als Argument hinzuzuziehen, wenn durch eine Mietanpassung der  Mietspiegel überschritten wird, hat das Landgericht München I (LG) eine Abfuhr erteilt. Wer die Miete erhöhen möchte, muss sich nach wie vor an das Gesetz halten.

Eine Vermieterin verlangte vor Gericht von ihren Mietern die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Sie meinte, in Zeiten hoher Inflation sei die Berücksichtigung einer Stichtagsdifferenz sachgerecht. Sie forderte deshalb einen Zuschlag zu den Mietwerten des Mietspiegels 2023 wegen einer ungewöhnlichen Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete, die in der Zeit zwischen der Datenerhebung zum Mietspiegel und dem Zugang des Mieterhöhungsverlangens eingetreten sei.

Damit kam sie allerdings nicht durch. Das LG verneinte zum einen eine ungewöhnliche Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Dies wurde auch damit begründet, dass ein Anstieg nach dem Index für Nettokaltmieten in Bayern von nur wenig mehr als 3 % keinen außergewöhnlichen Mietanstieg bedeute. Zum anderen ließe sich eine ungewöhnliche Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete über den Mietspiegel hinaus ohnehin nicht mit einem Anstieg des Verbraucherpreisindex begründen. Nach einem entsprechenden Hinweisbeschluss wurde die Berufung durch die Vermieterin zurückgenommen.

Hinweis: Mieterhöhungen sind an feste gesetzliche Regelungen gebunden. Diese Regelungen hat der Vermieter einzuhalten, sonst ist die Mieterhöhung unzulässig.


Quelle: LG München I, Beschl. v. 17.07.2024 - 14 S 3692/24
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 11/2024)