Abgerittener Renngaul? Dressur- und Springausbildung sind beim Kauf eines gesunden elfjährigen Pferds keine Nachteile

Käufe und Verkäufe von Tieren finden täglich tausendfach in Deutschland statt. Und selbstverständlich gibt es auch hierbei Regeln. Ob eine fehlerhafte Formulierung im Kaufvertrag über ein Pferd so regelwidrig ist, dass sie automatisch einen Rücktritt vom Kaufvertrag ermöglicht oder gar den Umstand einer Täuschung erfüllt, musste das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) entscheiden.

Käufe und Verkäufe von Tieren finden täglich tausendfach in Deutschland statt. Und selbstverständlich gibt es auch hierbei Regeln. Ob eine fehlerhafte Formulierung im Kaufvertrag über ein Pferd so regelwidrig ist, dass sie automatisch einen Rücktritt vom Kaufvertrag ermöglicht oder gar den Umstand einer Täuschung erfüllt, musste das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) entscheiden.

Eine Frau kaufte ein Pferd für 4.500 EUR. Im Kaufvertrag war angegeben, dass das Pferd nur freizeitmäßig geritten worden sei und keine Dressur- und Springausbildung habe. Nach der Übergabe des Pferds stellte sich heraus, dass es früher als Rennpferd eingesetzt worden war. Die Käuferin erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag, hilfsweise die Anfechtung wegen Täuschung. Als die Verkäuferin die Ansprüche ablehnte, klagte die Käuferin.

Allerdings wies das zuständige Landgericht die Klage ab - eine Entscheidung, die das OLG nun auch bestätigte. Stellt sich nach dem Kauf eines gesunden elf Jahre alten Pferds heraus, dass dieses früher als Rennpferd eingesetzt worden war, stellt dies keinen Mangel der Kaufsache dar. Degenerative Gelenkerkrankungen stehen generell in keinem Zusammenhang mit einer früheren Nutzung als Rennpferd, sondern beruhen vielmehr auf Alter, Art und Qualität der Haltung des Tiers. Bei einem elf Jahre alten Tier ist insofern ohnehin mit Veränderungen zu rechnen. Zudem habe ein Sachverständiger festgestellt, dass Einschränkungen in der "Nutzbarkeit" bei einem ehemaligen Rennpferd nicht eher zu erwarten seien als bei einem Pferd, das nur als Freizeitpferd genutzt worden sei. Auch die anderslautende Formulierung im Kaufvertrag rechtfertige keine andere Entscheidung, da diese so zu verstehen sei, dass aus einer fehlenden Ausbildung gerade eben keine Ansprüche hergeleitet werden sollten. Umgekehrt könne daher nicht gefolgert werden, dass die Parteien rechtsverbindlich vereinbart hätten, das Pferd sei von jeher nur als Freizeitpferd genutzt worden.

Hinweis: Bei Mängeln am Kaufgegenstand - sei es eine Sache oder ein Tier - kann der Rechtsanwalt weiterhelfen.


Quelle: OLG Oldenburg, Urt. v. 16.08.2023 - 4 U 72/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 11/2023)

Beweislastverteilung: Wenn 120.000 EUR im Bankschließfach fehlen

Wer sich ein Bankschließfach anmietet, hat womöglich mehr Werte zu sichern, als die eigenen vier Wände zu schützen imstande sind. Der Fall des Landgerichts Dortmund (LG) zeigt auf, was dabei zu beachten ist. Denn nicht nur die Bank trägt hierbei Verantwortung - auch Mieter eines Schließfachs müssen auf Nummer sicher gehen, um im Verlustfall beweisen zu können, dass verwahrte Werte abhanden gekommen sind.

Wer sich ein Bankschließfach anmietet, hat womöglich mehr Werte zu sichern, als die eigenen vier Wände zu schützen imstande sind. Der Fall des Landgerichts Dortmund (LG) zeigt auf, was dabei zu beachten ist. Denn nicht nur die Bank trägt hierbei Verantwortung - auch Mieter eines Schließfachs müssen auf Nummer sicher gehen, um im Verlustfall beweisen zu können, dass verwahrte Werte abhanden gekommen sind.

Eine Frau hatte bei einer Bank ein Schließfach und einen entsprechenden Mietvertrag über das Schließfach abgeschlossen. Im Mietvertrag war vereinbart worden, dass die Bank einen Betrag bis zu 200.000 EUR gegen Zerstörung, Beschädigung und Einbruchsdiebstahl/Raub versichern würde. Die Frau erteilte auf einem Vordruck unter anderem ihrem Ehemann eine Vollmacht, die sie nur vier Monate später widerrief. Am selben Tag hob die Frau von ihrem Konto 125.000 EUR in bar ab, von denen sie eigenen Angaben zufolge 120.000 EUR sogleich im Schließfach hinterlegte. Einige Tage später wurde der Ehemann, von dem die Frau getrennt lebte, als Besucher des Schließfachs in die Besucherkartei aufgenommen. Da er von dem Widerruf keinerlei Kenntnis gehabt habe, wolle sie ihm auch keinen Vorwurf machen und auch keine Anzeige erstatten. Die Schuld treffe nur die Bank, von der sie die Summe erstattet erhalten wolle - denn das Geld war weg. Was damit passiert sei, wisse die Frau nicht. Schließlich klagte sie.

Die Bank hatte zwar ihre Pflichten verletzt, indem sie dem Ehemann Zutritt zu dem Schließfach gewährt hatte. Die Richter des LG waren jedoch der Auffassung, dass durch diese Pflichtverletzung kein Schaden entstanden sei. Die Frau habe schlichtweg nicht beweisen können, dass sie das Geld in das Schließfach gelegt und dass ihr Mann das (verbotenerweise) wieder herausgenommen hatte. Ihren Ehemann als Zeugen benennen wollte sie nicht. Und so konnte sie den entsprechenden Beweis nicht pflichtgemäß erbringen - die Klage war abzuweisen.

Hinweis: Hier hätte die Frau doch lieber ihren Ehemann als Zeugen benennen sollen. So hat sie nichts erhalten. Andererseits steht zu vermuten, dass der Ehemann vermutlich nicht ausgesagt hätte, dass er die 120.000 EUR im Bankschließfach gefunden und an sich genommen habe.


Quelle: LG Dortmund, Urt. v. 16.06.2023 - 3 O 514/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 11/2023)

Auslegung eines Testaments: Oberlandesgericht sieht Alleinerbenstellung statt ledigliche Teilungsanordnung

Ohne Rechtsbeistand verfasste Testamente bergen bei Verzicht auf professionelle Hilfe oft die Gefahr, durch Uneindeutigkeit erst von Gerichten eine verbindliche Interpretation zu erfahren. Im Folgenden war es in einem Erbrechtsstreit am Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG), zu entscheiden, ob eine testamentarisch bedachte Nichte zur Alleinerbin oder lediglich zur Miterbin geworden ist.

Ohne Rechtsbeistand verfasste Testamente bergen bei Verzicht auf professionelle Hilfe oft die Gefahr, durch Uneindeutigkeit erst von Gerichten eine verbindliche Interpretation zu erfahren. Im Folgenden war es in einem Erbrechtsstreit am Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG), zu entscheiden, ob eine testamentarisch bedachte Nichte zur Alleinerbin oder lediglich zur Miterbin geworden ist.

Die Erblasserin errichtete ein handschriftliches Testament, in dem sie ihre Nichte zur Erbin "von dem Gebäude" einsetzte. Des Weiteren verfügte die Erblasserin: "Alles steht ihr zur Verfügung. Sie kann bestimmen, wer noch etwas ab kommt." Abschließend enthielt die Verfügung eine Formulierung, dass eine Schwester sowie deren Tochter einen Anteil erhalten sollen. In der Folge entstand ein Streit darüber, ob mit dieser testamentarischen Verfügung die Nichte zur Alleinerbin eingesetzt wurde. Die Schwester sowie deren Tochter hatten zunächst erfolgreich einen Teilerbschein beantragt, da sie der Ansicht waren, dass alle drei Bedachten als Erben eingesetzt wurden. Dabei sei die Zuwendung des Gebäudes an die Nichte lediglich als eine Teilungsanordnung zu verstehen.

Dieser Testamentsauslegung trat das OLG aber entgegen und stellte fest, dass die von der Erblasserin getroffene Verfügung nur als Einsetzung der Nichte als Alleinerbin verstanden werden könne. Hierfür sprach, dass es sich bei der Zuwendung des Gebäudes um den wesentlichen Bestandteil des Nachlasses gehandelt hat. Aus der Formulierung "Alles steht ihr zur Verfügung" sei als eine Erweiterung der Erbenstellung zu entnehmen. Auch die weitere Formulierung "Sie kann bestimmen, wer noch etwas ab kommt" müsse losgelöst von der Immobilie betrachtet werden, da eine Immobilie schließlich grundsätzlich nicht teilbar sei. Die Befugnis, darüber zu entscheiden, ob und welche Zuwendungen die übrigen Beteiligten aus dem Nachlass erhalten sollten, hat die Erblasserin auf die Alleinerbin übertragen. In der Folge des Beschlusses wurde die Angelegenheit dennoch an das Nachlassgericht zurückverwiesen, da im Rahmen des Erbscheinsverfahrens versäumt wurde, die notwendige eidesstattliche Versicherung der Erbin einzuholen.

Hinweis: Die Erteilung einer Generalvollmacht, die über den Tod des Erblassers hinaus Geltung haben soll, steht einer Auslegung nicht entgegen, dass diese Person zugleich auch Alleinerbe werden soll. Die Vollmacht dient häufig der Vereinfachung der rechtlichen Abwicklung.


Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.09.2023 - 11 W 42/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 11/2023)

Nur vor schwerem Unwetter: Vermieter muss Müllcontainer nach Leerung nicht sofort auf das Grundstück zurückbringen

Wer haftet eigentlich ab welchem Zeitpunkt unter welchen äußeren Umständen, wenn ein Müllcontainer gegen ein Auto rollt und dadurch ein Schaden entsteht? Diese Fragen hatte das Landgericht Darmstadt (LG) zu beantworten, bei dem es immerhin um einen Fahrzeugschaden in Höhe von knapp 9.000 EUR ging.

Wer haftet eigentlich ab welchem Zeitpunkt unter welchen äußeren Umständen, wenn ein Müllcontainer gegen ein Auto rollt und dadurch ein Schaden entsteht? Diese Fragen hatte das Landgericht Darmstadt (LG) zu beantworten, bei dem es immerhin um einen Fahrzeugschaden in Höhe von knapp 9.000 EUR ging.

Ein großer Müllcontainer, der vor der Garage stand, wurde gegen ein dort ebenfalls abgestelltes Fahrzeug geweht und beschädigte den Pkw. Nun verlangte der Halter des Fahrzeugs Schadensersatz von der Vermieterin der Immobilie, auf der sein Auto gestanden hatte. Er meinte, die Müllcontainer hätten nach der Leerung zu lange ungesichert auf der Straße gestanden. Ein sorgfältig arbeitender Verantwortlicher hätte die Müllcontainer unmittelbar nach der Leerung wieder in die Garage gebracht. Eine Verkehrssicherungspflicht sei verletzt worden, und es ging hier immerhin um knapp 9.000 EUR. Der Mann scheiterte jedoch mit seiner Klage.

Ein Vermieter genüge laut LG seiner Verkehrssicherungspflicht bereits dann, wenn er Sorge dafür trägt, dass Müllcontainer standsicher sind. Die Standsicherheit wird gewährleistet, sobald die dafür vorgesehenen Pedalbremsen benutzt werden. Der Vermieter darf sich dabei grundsätzlich darauf verlassen, dass das Müllentsorgungsunternehmen auch die Pedalbremse betätigt, und müsse lediglich bei angekündigtem schweren Unwetter geeignete weitere Sicherungsmaßnahmen in Betracht ziehen. Generell liege die Verantwortung für die nach der Leerung auf die Straße gestellten Container aber beim Entsorgungsunternehmen. Und da weder eine Unwetterlage vorlag noch der Kläger überhaupt habe nachweisen können, dass sein Fahrzeug durch Mülltonnen der Beklagten beschädigt wurde, ging er in Sachen Schadensersatz hier auch leer aus.

Hinweis: Der Vermieter haftet also in der Regel nicht für vom Winde verwehte Müllcontainer.


Quelle: LG Darmstadt, Urt. v. 23.06.2023 - 19a O 23/23
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 11/2023)

Grundbuchamt liegt falsch: Bloße Zweifel an Erbfolge reichen für Vorlage eines neuen Erbscheins nicht aus

Es gilt der erbrechtliche Grundsatz, dass Eintragungen im Grundbuch so lange als richtig anzusehen sind, bis ein Nachweis erbracht ist, dass das Grundbuch unrichtig geworden ist. Diesem Leitgedanken ist auch das Oberlandesgericht München (OLG) gefolgt und hat bloße Zweifel an der Richtigkeit einer Erbenstellung als ungenügend angesehen.

Es gilt der erbrechtliche Grundsatz, dass Eintragungen im Grundbuch so lange als richtig anzusehen sind, bis ein Nachweis erbracht ist, dass das Grundbuch unrichtig geworden ist. Diesem Leitgedanken ist auch das Oberlandesgericht München (OLG) gefolgt und hat bloße Zweifel an der Richtigkeit einer Erbenstellung als ungenügend angesehen.

Eine Grundstückseigentümerin verstarb im Juni 2022. Sie hatte einen der Beteiligten des Verfahrens zum Alleinerben eingesetzt und zudem eine Testamentsvollstreckung angeordnet. Mit notariellem Vertrag übertrug der Alleinerbe ein im Nachlass befindliches Grundstück in Erfüllung einer erbrechtlichen Anordnung an die Testamentsvollstreckerin. Das Nachlassgericht erließ daraufhin eine einstweilige Anordnung und forderte den Alleinerben zur Rückgabe der erteilten Ausfertigung des Erbscheins und die Testamentsvollstreckerin zur Herausgabe des Testamentsvollstreckerzeugnisses auf. Es hatte Zweifel an der Richtigkeit des Erbscheins. Kurz darauf verkaufte die mittlerweile eingetragene Eigentümerin das Grundstück. Das Grundbuchamt verlangte von dem beurkundenden Notar, einen neuen Erbschein als Nachweis der Alleinerbschaft nach der verstorbenen Erblasserin beizubringen. Es war der Ansicht, dass wegen der Anordnung der Testamentsvollstreckung der Alleinerbe nicht über das Grundstück hätte verfügen dürfen und aufgrund der einstweiligen Anordnung ein neuer Erbschein vorgelegt werden müsse.

Dieser Ansicht hat sich das OLG im Ergebnis jedoch nicht angeschlossen. Ist im Grundbuch für jemanden ein Recht eingetragen, wird gesetzlich vermutet, dass ihm dieses Recht auch zustehe. Zwar löst die einstweilige Anordnung zur Rückgabe des Erbscheins entsprechende Zweifel an der Richtigkeit der Erbenstellung aus - bloße Zweifel an der Richtigkeit reichen aber nicht aus. Im Übrigen habe die Testamentsvollstreckerin in die Übereignung auch eingewilligt, was ihr hier auch zustand, da die Übertragung in Erfüllung einer erbrechtlichen Verbindlichkeit erfolgte.

Hinweis: Ergibt sich, dass ein erteilter Erbschein unrichtig ist, hat ihn das Nachlassgericht einzuziehen. Mit der Einziehung wird der Erbschein kraftlos.


Quelle: OLG München, Beschl. v. 27.09.2023 - 34 Wx 240/23 e
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 11/2023)

Nachlasspfleger ohne Zahlungsansprüche: Rentenversicherung mit festgelegten Bezugsberechtigten gehört nicht zum Erblasservermögen

Ob ein Nachlasspfleger Zahlungsansprüche auf eine Todesfallleistung aus einer Rentenversicherung gegen den Versicherungsträger geltend machen darf, musste das Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG) klären.

Ob ein Nachlasspfleger Zahlungsansprüche auf eine Todesfallleistung aus einer Rentenversicherung gegen den Versicherungsträger geltend machen darf, musste das Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG) klären.

Die im November 2020 verstorbene Erblasserin hatte bei einer Versicherungsgesellschaft eine Rentenversicherung abgeschlossen. Bezugsberechtigt im Todesfall sollten die gesetzlichen Erben der Erblasserin sein. Da aber gesetzliche Erben nach dem Tod der Erblasserin nicht bekannt waren, setzte das zuständige Nachlassgericht einen Nachlasspfleger mit dem Wirkungskreis "Ermittlung der Erben" und "Sicherung und Verwaltung des Nachlasses" ein. Der Nachlasspfleger verlangte von der Versicherungsgesellschaft die Zahlung der Todesfallleistung und widerrief vorsorglich eine etwaige Bezugsberechtigung. Der Versicherer verweigerte die Zahlung mit der Begründung, die Forderungen gehören nicht zur Erbmasse. Die Bezugsberechtigung könne nach dem Tod der Erblasserin nicht mehr widerrufen werden.

Nachdem das zuständige Landgericht dem Antrag des Nachlasspflegers zunächst stattgegeben hatte, wurde die Entscheidung durch das OLG letztinstanzlich aufgehoben. Dieses war der Ansicht, dass die Versicherungsgesellschaft allein dem festgelegten Bezugsberechtigten zur Auszahlung der Versicherungsleistung verpflichtet war. Ob es sich hierbei tatsächlich um die endgültigen Erben handelt, stand zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht fest, da diese bislang nicht ermittelt werden konnten. Der Anspruch auf die Versicherungsleistung auf der Grundlage einer Bezugsberechtigung gehört nicht zum Erblasservermögen, sondern steht mit dem Todesfall unmittelbar im Vermögen des Bezugsberechtigten - jedenfalls dann, wenn dieser klar zu ermitteln ist. Wird ein Erbe nicht namentlich benannt, muss gegebenenfalls durch Auslegung ermittelt werden, ob die Versicherungsleistung in den Nachlass fallen oder dem Begünstigten unmittelbar zugewendet werden soll. Abzustellen ist darauf, was der Erblasser zum einen wollte, zum anderen aber auch, wie der Versicherer die Erklärung des Erblassers verstehen durfte. In der Regel ist dabei davon auszugehen, dass derartige Zuwendungen am Nachlass vorbei erfolgen sollen - also gerade nicht Bestandteil des Nachlasses sind. Von einem solchen Bezugsrecht auf die Todesfallleistung ging das OLG aus. Mit dem Tod der Versicherungsnehmerin konnte dieses Bezugsrecht auch nicht mehr widerrufen werden.

Hinweis: Die Einräumung eines Bezugsrechts auf eine Todesfallleistung beinhaltet gleichzeitig auch einen Auftrag des Versicherungsnehmers an den Versicherer, dem Begünstigten nach Eintritt des Versicherungsfalls das noch zu Lebzeiten abgegebene Schenkungsangebot des Versicherungsnehmers zu überbringen.


Quelle: OLG Zweibrücken, Urt. v. 23.08.2023 - 1 U 12/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 11/2023)

Schadensersatzanspruch verneint: Landgericht sieht keine Pflichtverletzung eines Anwalts während Vergleichsverhandlungen

Jeder Rechtsanwalt hat verschiedene Aufklärungspflichten gegenüber seinen Mandanten. Diese Pflichten verschärfen sich noch, wenn ein gerichtlicher Vergleich abgeschlossen werden soll. Wenn ein Mandant den Ausführungen des Anwalts nicht folgen kann, ist er seinerseits verpflichtet, nachzuhaken, um seine Entscheidungen auf gesunder Basis zu treffen. Anderenfalls ergeht es ihm wie der Frau im folgenden Fall, den das Landgericht Lübeck (LG) beurteilte.

Jeder Rechtsanwalt hat verschiedene Aufklärungspflichten gegenüber seinen Mandanten. Diese Pflichten verschärfen sich noch, wenn ein gerichtlicher Vergleich abgeschlossen werden soll. Wenn ein Mandant den Ausführungen des Anwalts nicht folgen kann, ist er seinerseits verpflichtet, nachzuhaken, um seine Entscheidungen auf gesunder Basis zu treffen. Anderenfalls ergeht es ihm wie der Frau im folgenden Fall, den das Landgericht Lübeck (LG) beurteilte.

Eine Frau verklagte ihren Arbeitgeber, der ihr fristlos gekündigt hatte. Er hatte behauptet, sie habe sich krankschreiben lassen wollen, obwohl sie gesund gewesen sei. Dafür gebe es auch Zeugen. In der mündlichen Verhandlung schlug das Arbeitsgericht (ArbG) daher auch einen Vergleich vor, nach dem das Arbeitsverhältnis beendet sein sollte. Sonst müsse das Gericht die Zeugen des Arbeitgebers vernehmen und ein Urteil sprechen. In einer Unterbrechung des Gerichtstermins besprach die Frau sich mit ihrem Anwalt, der ihr ebenfalls zu dem gerichtlich vorgeschlagenen Vergleich riet. Ihr Lebensgefährte dolmetschte diese Besprechung. Im Anschluss schloss die Frau mit ihrem Arbeitgeber den vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich. Als sie sich nach der Verhandlung erneut mit ihrem Anwalt besprach, war sie mit dem Vergleich aber wohl nicht mehr einverstanden. Sie gab an, sie spreche kaum Deutsch und habe den Ausführungen der Verhandlung nicht folgen können. Daher hätte der Anwalt die Hinzuziehung eines Dolmetschers beantragen müssen. Sie habe dem Vergleich nur zugestimmt, da der Anwalt behauptet hätte, dies sei die beste Lösung. Sie ist jedoch der Auffassung, sie hätte den Rechtsstreit gewonnen, da der Vorwurf nicht zutraf. Sie habe weiterarbeiten wollen und verlangte nun Schadensersatz von etwas über 4.000 EUR von ihrem Anwalt - ohne Erfolg.

Der Anwalt hatte auch laut LG alles richtig gemacht. Ein Rechtsanwalt muss seinen Mandanten vor dem Abschluss eines Vergleichs die damit zusammenhängenden Vor- und Nachteile so gewissenhaft wie möglich erklären. Dem Mandanten muss es damit möglich sein, eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen. Voraussetzung dafür ist, dass er die Ausführungen und den Rat seines Anwalts auch versteht. Das alles war hier gegeben. Insbesondere lag keine Pflichtverletzung darin, der Frau zu dem Vergleichsschluss zu raten. Denn schließlich hatte das ArbG den Vergleich selbst vorgeschlagen. Auch musste der Anwalt keinen Dolmetscher hinzuziehen. Denn der Anwalt konnte gar nicht erkennen, dass die Frau der Verhandlung und der späteren Besprechung nicht folgen konnte.

Hinweis: Nerven Sie, haken Sie nach! Falls vor Abschluss eines Vergleichs Fragen oder Unklarheiten bestehen, sollten diese dem Rechtsanwalt gestellt werden - denn für deren Beantwortung ist er da.


Quelle: LG Lübeck, Urt. v. 10.08.2023 - 9 O 93/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 11/2023)

Vertretungsbefugnis für Rückgabeverlangen: Über die Rücknahme eines Ehe- und Erbvertrags aus amtlicher Verwahrung

Testamente und Erbverträge können widerrufen werden, indem sie aus einer amtlichen Verwahrung zurückgegeben werden. Für Erbverträge gilt dies in jedem Fall, sofern diese nur Verfügungen von Todes wegen enthalten. Problematisch wird es, wenn neben dem Erbvertrag auch andere zusätzliche Rechtsgeschäfte, beispielsweise ein Ehevertrag, abgeschlossen wurden. Ein solcher Vertrag war Gegenstand eines Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG).

Testamente und Erbverträge können widerrufen werden, indem sie aus einer amtlichen Verwahrung zurückgegeben werden. Für Erbverträge gilt dies in jedem Fall, sofern diese nur Verfügungen von Todes wegen enthalten. Problematisch wird es, wenn neben dem Erbvertrag auch andere zusätzliche Rechtsgeschäfte, beispielsweise ein Ehevertrag, abgeschlossen wurden. Ein solcher Vertrag war Gegenstand eines Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG).

Die Eheleute hatten im Jahr 2011 einen Ehe- und Erbvertrag abgeschlossen. Diese Urkunde wurde in amtliche Verwahrung genommen. Im Jahr 2018 wurde mit einer weiteren notariellen Urkunde ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Darin erklärten die Beteiligten den Widerruf des Erbvertrags aus dem Jahr 2011; bezüglich des Ehevertrags sollte es bei der bisherigen Regelung verbleiben. Auch dieses Testament wurde in amtliche Verwahrung gegeben. Im Jahr 2022 erklärten die Beteiligten, nachdem schon vorherige Herausgabeverlangen beim Gericht gescheitert waren, die rückwirkende Aufhebung der geschlossenen Verträge. Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten verlangten sie die Rückgabe sowohl des Erbvertrags aus dem Jahr 2011 als auch die Rückgabe des Testaments aus dem Jahr 2018.

Das Nachlassgericht hat beide Herausgabeverlangen zurückgewiesen. Bezüglich beider Urkunden war das Nachlassgericht der Ansicht, dass es sich um kombinierte Ehe- und Erbverträge handele, deren Herausgabe auch nicht durch einen Verfahrensbevollmächtigten verlangt werden könne.

Dem widersprach das OLG - zumindest teilweise. Zunächst stellte es klar, dass das Herausgabeverlangen auch durch einen Verfahrensbevollmächtigten erklärt werden kann. Richtig sei zwar, dass aufgrund der Wirkung der Rücknahme die Rückgabe der letztwilligen Verfügungen nur an die Erblasser persönlich erfolgen könne. Dies schließe aber nicht aus, dass das Rückgabeverlangen auch von einem Vertreter gestellt werden könne.

Allerdings wies das OLG das Herausgabeverlangen bezüglich des Notarvertrags aus dem Jahr 2011 deshalb zurück, weil es sich um einen kombinierten Ehe- und Erbvertrag handele, für den eine Herausgabe aus der amtlichen Verwahrung ausgeschlossen sei. Bei der notariellen Urkunde aus dem Jahr 2018 handelt es sich nach Ansicht des Gerichts nicht um einen kombinierten Erbvertrag, so dass bezüglich dieser Urkunde das Herausgabeverlangen gerechtfertigt war.

Hinweis: Für den Erblasser besteht die Möglichkeit, die Gewährung einer Einsichtnahme in die Urkunde beim Nachlassgericht zu beantragen.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 19.09.2023 - 21 W 63/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 11/2023)

Vorsicht vor Hacks: Keine konkrete Vorgaben für Sicherheitsvorkehrungen im geschäftlichen E-Mail-Verkehr

Was für fatale Auswirkungen es haben kann, wenn eine E-Mail-Adresse gehackt wird, zeigt der folgende Fall, der vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) landete. Und dem Urteil zufolge sollten alle, die per Mailkontakt Käufe tätigen, mehr als nur einen Blick auf augenscheinliche Unstimmigkeiten werfen - wie etwa einen doppelten Rechnungserhalt wie hier. Geschieht das nicht, kann es empfindlich teuer werden.

Was für fatale Auswirkungen es haben kann, wenn eine E-Mail-Adresse gehackt wird, zeigt der folgende Fall, der vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) landete. Und dem Urteil zufolge sollten alle, die per Mailkontakt Käufe tätigen, mehr als nur einen Blick auf augenscheinliche Unstimmigkeiten werfen - wie etwa einen doppelten Rechnungserhalt wie hier. Geschieht das nicht, kann es empfindlich teuer werden.

Es ging um einen Kaufvertrag über einen gebrauchten Pkw zum Preis von 13.500 EUR. Noch am Kauftag schickte die Verkäuferin eine Rechnung mit Angabe des Empfängerkontos per E-Mail. Nur kurze Zeit darauf erhielt die Käuferin eine erneute E-Mail von der E-Mail-Adresse der Verkäuferin mit einer Rechnung im Anhang. Auf dieser war allerdings ein ganz anderes Empfängerkonto bei einer Bank in Berlin mit einem anderen Kontoinhaber angegeben. Es kam, wie es kommen musste: Die Käuferin überwies die 13.500 EUR auf das letztgenannte Konto aus der zweiten E-Mail. Als die Verkäuferin die Käuferin "nochmals" zur Zahlung aufforderte, stellte sich heraus, dass die zweite E-Mail aufgrund eines Hackerangriffs von einer unbefugten dritten Person versandt worden war. Folglich war das in der zweiten Rechnung angegebene Konto nicht das der Verkäuferin. Ihr eigenes E-Mail-Konto hielt die Verkäuferin für sicher - es war mit einem Passwort geschützt, das alle zwei bis vier Wochen geändert werde. Computer und Software der Verkäuferin wären zudem über eine Firewall geschützt, die ebenso regelmäßig aktualisiert werde. Darüber hinaus waren Computer und Software über die Vollversion einer Sicherheitssoftware geschützt. Daher klagte die Verkäuferin die 13.500 EUR ein - und erhielt Recht.

Es gibt laut OLG keine gesetzlichen Vorgaben für Sicherheitsvorkehrungen beim Versand von E-Mails im geschäftlichen Verkehr. Daher bestimmen sich die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen nach den Sicherheitserwartungen unter Berücksichtigung der Zumutbarkeit. Selbst wenn man eine Pflichtverletzung der Verkäuferin sehen wollte, fehlte es am Nachweis der Kausalität dieser Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden. Es blieb also ungeklärt, wie es tatsächlich dazu gekommen war, dass die zweite E-Mail mit der ge- oder verfälschten Rechnung die Käuferin erreichte. Schließlich wäre ein unterstellter Schadensersatzanspruch der Käuferin zu kürzen, weil ein erhebliches Mitverschulden zu berücksichtigen wäre.

Hinweis: Wer sich in solchen Streitfällen auf den sachlichen Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung berufen will, muss berücksichtigen, dass diese nur für die Verarbeitung von Informationen gilt, die sich auf eine natürliche Person beziehen - nicht also auf den allgemeinen Geschäftsverkehr.


Quelle: OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.07.2023 - 19 U 83/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 11/2023)

Vermögen der Eigentümergemeinschaft: Neues zur Instandhaltungsrücklage bei einer Eigentumswohnung

Für Reparaturen und Ähnliches bildet eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) eine Instandhaltungsrücklage. Die Frage, was mit dem Geld im Fall des Verkaufs einer Wohnung passiert, war Kern des Falls, der vor dem Oberlandesgericht Koblenz (OLG) landete.

Für Reparaturen und Ähnliches bildet eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) eine Instandhaltungsrücklage. Die Frage, was mit dem Geld im Fall des Verkaufs einer Wohnung passiert, war Kern des Falls, der vor dem Oberlandesgericht Koblenz (OLG) landete.

Eine Frau kaufte eine Eigentumswohnung. Die Kaufvertragsparteien vereinbarten einen Ausschluss sämtlicher Ansprüche und Rechte wegen eines Sachmangels. Folgendes war jedoch auch geregelt: "Der Anteil an der Instandhaltungsrücklage beträgt ... 31.530 EUR, ist im Kaufpreis enthalten und geht mit Besitzübergang über." Auf dem Konto der WEG befanden sich zu dieser Zeit 52.550 EUR, wobei der Anteil an der zweigliedrigen Eigentümergemeinschaft rechnerisch einem Betrag von 31.530 EUR entsprach. Ein Beschluss über die Verwendung des Geldes lag zum Beurkundungszeitpunkt nicht vor. Im Expose der Maklerin hatte Folgendes gestanden: "Anstehende Investitionen: Dachsanierung ca. 30.000 EUR; Rücklagen vorhanden ..." Die Frau war somit davon ausgegangen, dass die Rücklage für die Sanierung des Dachs auch tatsächlich vorhanden war. Jedoch handelte es sich bei dem auf dem Konto vorhandenen Betrag nicht um eine Instandhaltungsrücklage, sondern um einen Betrag aus Schadensersatzforderungen gegen Bauunternehmen, der folglich auch zur weiteren Schadensbeseitigung benötigt wurde und nicht für die Dachsanierung verwendet werden konnte. Deshalb wollte die Käuferin die 31.530 EUR von der Verkäuferin zurückerhalten und klagte - vergeblich.

In Augen des OLG lag keine sogenannte Beschaffenheitsvereinbarung vor, sondern lediglich eine Wissenserklärung oder Wissensmitteilung, mit der der Verkäufer die Angaben eines Dritten wiedergibt. Gegen die Annahme, der Verkäufer einer Eigentumswohnung wolle die vertragliche Garantie für eine bestimmte Höhe der Instandhaltungsrücklage in einem nach dem angegebenen Stichtag liegenden Beurkundungszeitpunkt oder gar im Zeitpunkt des Gefahrübergangs übernehmen, spricht bei interessengerechter Auslegung auch, dass die anteilige Instandhaltungsrückstellung nicht Vermögen des Wohnungseigentümers, sondern der WEG ist. Über einen "Anteil" hieran kann der einzelne Wohnungseigentümer daher nicht verfügen.

Hinweis: Beim Kauf einer Eigentumswohnung sollte der Käufer also genau nachfragen, wie hoch die Rücklage ist, wem sie gehört und was von dem Geld tatsächlich auf den Konten vorhanden ist. So kann späterer Streit vermieden werden.


Quelle: OLG Koblenz, Urt. v. 17.05.2023 - 15 U 1098/22
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 11/2023)