Keine Pflichtwahl: Frage um Ausschussvorsitz von AfD-Nachrückern in Landschaftsversammlung Rheinland geklärt

Wenn einer seinen Sitz aufgibt, dann rückt eben ein anderer nach. So in etwa stellte es sich die AfD-Fraktion in der Landschaftsversammlung Rheinland vor. Ob diese Landschaftsversammlung die Nachbesetzung freigewordener Ausschussvorsitze der AfD-Fraktion durch die zur Wahl gestellten Kandidaten habe ablehnen dürfen, musste das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen final entscheiden.

Wenn einer seinen Sitz aufgibt, dann rückt eben ein anderer nach. So in etwa stellte es sich die AfD-Fraktion in der Landschaftsversammlung Rheinland vor. Ob diese Landschaftsversammlung die Nachbesetzung freigewordener Ausschussvorsitze der AfD-Fraktion durch die zur Wahl gestellten Kandidaten habe ablehnen dürfen, musste das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen final entscheiden.

Nachdem einige Vertreter der AfD-Fraktion aus dem Landschaftsausschuss sowie aus verschiedenen Fachausschüssen der Landschaftsversammlung Rheinland ausgeschieden waren, beantragte die AfD-Fraktion in verschiedenen Sitzungen, Nachfolger für diese Sitze in den Ausschüssen zu wählen. Die Landschaftsversammlung lehnte eine Nachbesetzung mit den von der Fraktion vorgeschlagenen Kandidaten teilweise ab. Mit ihrer dagegen eingereichten Klage wollte die Fraktion hingegen festgestellt wissen, dass dies rechtswidrig war. Sie meinte, die Landschaftsversammlung sei verpflichtet gewesen, die vorgeschlagenen Kandidaten zu wählen.

Das sah das OVG jedoch anders. Die Landschaftsversammlung Rheinland durfte die Nachbesetzung freigewordener Ausschusssitze der Fraktion durchaus ablehnen. Das Recht der Fraktionen ist darauf beschränkt, dass sie Kandidaten für die Wahl vorschlagen können und dass die freie Wahl ordnungsgemäß - insbesondere frei von Rechtsmissbrauch - durchgeführt werde. Für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Landschaftsversammlung bestünden hier keine Anhaltspunkte. Insbesondere habe sie gegenüber der AfD-Fraktion keine "Blockadehaltung" verfolgt: Schließlich waren bei den in einer Sitzung im März 2023 durchgeführten Einzelwahlen durch die Landschaftsversammlung elf der insgesamt 14 von der Fraktion vorgeschlagenen Personen gewählt worden.

Hinweis: Das OVG hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden.


Quelle: OVG Münster, Urt. v. 11.11.2024 - 15 A 1404/23
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 01/2025)

Flugverspätung: Fluggesellschaft muss ausreichend Ersatzflüge anbieten, um Zahlungsansprüche auszuräumen

Hat ein Flug Verspätung, steht dem Fluggast häufig eine Entschädigungszahlung zu. Doch darf die Fluggesellschaft stattdessen auch eine Ersatzbeförderung anbieten? Und wenn ja, wie muss diese aussehen? Die Antworten kommen vom Bundesgerichtshof (BGH), der hierfür die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zurate zog.

Hat ein Flug Verspätung, steht dem Fluggast häufig eine Entschädigungszahlung zu. Doch darf die Fluggesellschaft stattdessen auch eine Ersatzbeförderung anbieten? Und wenn ja, wie muss diese aussehen? Die Antworten kommen vom Bundesgerichtshof (BGH), der hierfür die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zurate zog.

Ein Fluggast verfügte über eine bestätigte Buchung für einen Flug, der planmäßig am 29.07.2019 um 18:55 Uhr (Ortszeit) in Berlin-Tegel starten und um 20:10 Uhr in Düsseldorf landen sollte. Die Fluggesellschaft annullierte sowohl diesen als auch den im Anschluss vorgesehenen und vom selben Flugzeug durchzuführenden (Rück-)Flug. Sie bot dem Fluggast über den Login-Bereich ihrer Homepage mehrere Flüge ihres Unternehmens als Ersatzbeförderung an, von denen einer noch am selben Tag und die übrigen an den Folgetagen vorgesehen waren. Der Fluggast entschied sich für jedoch für eine Fahrt mit der Bahn und verlangte eine Entschädigung nach der Fluggastrechteverordnung.

Der BGH gab dem Fluggast Recht. Nach der Rechtsprechung des EuGH müsse das Luftfahrtunternehmen alles ihm Mögliche und Zumutbare tun, um zu vermeiden, dass es durch außergewöhnliche Umstände genötigt ist, einen Flug zu annullieren. Gleiches gilt, wenn der Flug nur mit einer großen Verspätung durchgeführt werden kann, deren Folgen für den Fluggast einer Annullierung gleichkommen. Zu den demnach gebotenen Maßnahmen gehöre es, dem Fluggast eine mögliche anderweitige direkte oder indirekte Beförderung mit einem Flug anzubieten, den das betroffene oder ein anderes Luftfahrtunternehmen durchführt und der mit weniger Verspätung als der nächste Flug des betreffenden Luftfahrtunternehmens ankommt. Hier hatte die Fluggesellschaft aber nur eigene wenige Flüge angeboten. Ebendies reichte jedoch nicht aus, so dass der Fluggast eine Entschädigung erhielt.

Hinweis: Ob einem Fluggast eine Ausgleichszahlung für einen verspäteten Flug zusteht, kann ein Rechtsanwalt prüfen. Jeder Fall ist anders und jeder Fall bedarf einer besonderen Aufmerksamkeit.


Quelle: BGH, Urt. v. 24.09.2024 - X ZR 109/23
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 01/2025)

Vertragliche Grundlage: Die Kündigung des Girokontos auch durch Genossenschaftsbanken jederzeit möglich

Genossenschaftsbanken wie beispielsweise die Volksbanken haben Mitglieder statt Kunden - und zwar ihre Genossen. Daher ist die Eröffnung eines Kontos ohne eine Mitgliedschaft auch nicht möglich. Ob eine solche Bank einem Genossen dessen Konto einfach kündigen darf, musste der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.

Genossenschaftsbanken wie beispielsweise die Volksbanken haben Mitglieder statt Kunden - und zwar ihre Genossen. Daher ist die Eröffnung eines Kontos ohne eine Mitgliedschaft auch nicht möglich. Ob eine solche Bank einem Genossen dessen Konto einfach kündigen darf, musste der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.

Ein Mann hatte ein Girokonto, ein Kreditkartenkonto und ein Wertpapierdepot bei einer Genossenschaftsbank und war somit auch Mitglied bei dem Kreditinstitut. Nach  Allgemeinen Geschäftsbedingungen war die Bank berechtigt, jederzeit unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist die Konten zu kündigen. Genau das tat die Bank dann auch - zum Missfallen des Kunden. Dieser zog vor Gericht und beantragte, festzustellen, dass die Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien weiterhin fortbestehe. Er meinte, weil er Mitglied der Genossenschaft sei, wäre eine Kündigung nicht möglich.

Die Klage wurde vor dem BGH allerdings abgewiesen. Wenn der Geschäftsverkehr der Mitglieder mit ihrer Genossenschaft auf vertraglicher Grundlage beruhe, spiele er sich außerhalb des Mitgliedschaftsverhältnisses ab, so dass rein schuldrechtliche Beziehungen entstehen und das Mitglied der Genossenschaft insoweit wie ein außenstehender Dritter gegenübertritt. Deshalb konnte die Bank die Geschäftsbeziehung kündigen.

Hinweis: Es ist also für eine Genossenschaftsbank möglich, einen Girovertrag eines Mitglieds ohne Angabe von Gründen zu kündigen.


Quelle: BGH, Urt. v. 15.10.2024 - XI ZR 50/23
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 01/2025)

Optische Beeinträchtigung: Entfernen von Strandkorb und Wäschespinne aus Gemeinschaftsgarten durchgesetzt

Schon Schiller wusste, dass der Frömmste nicht in Frieden leben kann, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Und so beschäftigt sich das Mietrecht nicht nur mit Zwistigkeiten zwischen Mietern und Vermietern, sondern auch mit Nachbarschaftsstreitereien, wie in diesem Fall des Amtsgerichts Dortmund (AG).

Schon Schiller wusste, dass der Frömmste nicht in Frieden leben kann, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Und so beschäftigt sich das Mietrecht nicht nur mit Zwistigkeiten zwischen Mietern und Vermietern, sondern auch mit Nachbarschaftsstreitereien, wie in diesem Fall des Amtsgerichts Dortmund (AG).

Hier ging es nämlich um Wohnungseigentümer und deren Benutzung von Gemeinschaftsflächen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft bestand zwar aus lediglich zwei Parteien - das war aber nachweislich schon genug für einen gerichtlichen Streit. Ihr Gemeinschaftseigentum umfasste einen Garten, in dem sich sowohl ein Strandkorb als auch eine Wäschespinne befanden. Die eine Eigentümerin verlangte nun die Unterlassung des Aufstellens dieser beiden Elemente, da sie der Meinung war, darin eine optische Beeinträchtigung zu sehen.

Und siehe da: Das AG entschied zugunsten der Klägerin. Ihr stehe nämlich nach § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch, § 14 Abs. 2 Nr. 1 Wohnungseigentumsgesetz ein entsprechender Anspruch auf Unterlassung zu. Beim abgestellten Strandkorb und der aufgestellten Wäschespinne handelte es sich in diesem Sinne um eine tatsächlich nicht hinzunehmende optische Beeinträchtigung. Eine derartige Nutzung des Gemeinschaftseigentums sei damit unzulässig. Zudem sei es unerheblich, ob die Klägerin in der Vergangenheit selbst eine Wäschespinne im Garten genutzt habe. Denn auch dies wäre unzulässig gewesen und hätte auch von der Beklagten unterbunden werden können.

Hinweis: In der Wohnungseigentumsanlage kann es immer wieder zu Konflikten kommen. Oftmals kann hier auch ein Mediator helfen, den Konflikt beizulegen. Viele Anwälte sind auch als Mediator ausgebildet.


Quelle: AG Dortmund, Urt. v. 18.04.2024 - 514 C 112/23
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 01/2025)

Wohnungseigentümerversammlung online: Wahl von Hard- und Software darf in Absprache mit dem Beirat der Verwaltung überlassen werden

Spätestens während der Corona-Pandemie erwies sich die moderne Informationstechnologie als Fluch und Segen zugleich - und zwar für alle Alters- und Bevölkerungsgruppen. Doch nach wie vor bringt ihre Anwendung Rechtsstreitigkeiten mit sich. Das Amtsgericht Berlin-Mitte (AG) musste sich mit Hard- und Softwarefragen bei Versammlungen der Wohnungseigentümergemeinschaft beschäftigen, die künftig auch online ablaufen sollten.

Spätestens während der Corona-Pandemie erwies sich die moderne Informationstechnologie als Fluch und Segen zugleich - und zwar für alle Alters- und Bevölkerungsgruppen. Doch nach wie vor bringt ihre Anwendung Rechtsstreitigkeiten mit sich. Das Amtsgericht Berlin-Mitte (AG) musste sich mit Hard- und Softwarefragen bei Versammlungen der Wohnungseigentümergemeinschaft beschäftigen, die künftig auch online ablaufen sollten.

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft fällte den Beschluss, dass es für die Folgeversammlung nach § 23 Abs. 1 Satz 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) gestattet sein soll, online an der Versammlung teilzunehmen. Dabei wurde bestimmt, dass das elektronische Kommunikationssystem seitens der Hausverwaltung in Absprache mit dem Verwaltungsbeirat festgelegt werden solle. Gegen diesen Beschluss zog eine Eigentümerin vor Gericht, da sie der Ansicht war, die Wohnungseigentümer hätten eine Entscheidung über die Modalitäten der Teilnahme treffen müssen - insbesondere zur Wahl des elektronischen Kommunikationssystems oder zu Vorgaben zu den technischen Anforderungen an Hard- und Software.

Das AG wies die Klage jedoch ab. Weder die inhaltliche Ausgestaltung des Beschlusses noch die fehlenden Erläuterungen zu Hard- und Softwareausstattung begründeten eine Nichtigkeit. Es ist durchaus möglich, diese Entscheidungen der Verwaltung in Absprache mit dem Beirat zu überlassen. Der Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG sieht nämlich lediglich vor, dass eine Entscheidung über die grundsätzliche Gestattung und die wahrzunehmenden Eigentümerrechte zu treffen ist.

Hinweis: In § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG heißt es wörtlich: "Die Wohnungseigentümer können beschließen, dass Wohnungseigentümer an der Versammlung auch ohne Anwesenheit vor Ort teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können." In der Praxis werden solche Onlineversammlungen derzeit noch selten durchgeführt. Das wird sich in absehbarer Zeit sicherlich ändern.


Quelle: AG Berlin-Mitte, Urt. v. 02.05.2024 - 22 C 50/23 WEG
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 01/2025)

Unklarer "Kündigungsbutton": Eine Kündigung zu beabsichtigen bedeutet nicht, auch wirklich zu kündigen

Verbraucher müssen eine Kündigung eines im Internet geschlossenen Vertrags abgeben können - und zwar stets auf einfache Art und Weise. Wie das genau auszusehen hat, hat das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) im folgenden Fall geklärt.

Verbraucher müssen eine Kündigung eines im Internet geschlossenen Vertrags abgeben können - und zwar stets auf einfache Art und Weise. Wie das genau auszusehen hat, hat das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) im folgenden Fall geklärt.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände beanstandete gerichtlich das Fehlen eines Kündigungsbuttons auf der Website eines Portals, das Verbrauchern den Abschluss von Strom- und Gasverträgen anbot. Ein solcher Button müsse auf der Bestätigungsseite zu finden sein, mit der der Verbraucher die Kündigungserklärung abgeben könne. Diese Bestätigungsschaltfläche müsse mit den Worten "jetzt kündigen" oder einer anderen entsprechend eindeutigen Formulierung beschriftet sein. Die verwendete Formulierung "Kündigungsabsicht abschicken" lasse die von § 312k Bürgerliches Gesetzbuch geforderte Deutlichkeit vermissen.

Das OLG hat der Klage stattgegeben. Eine Bestätigungsschaltfläche "Kündigungsabsicht abschicken" ist nicht ebenso eindeutig wie "jetzt kündigen". Jedenfalls kann bei der Formulierung "Kündigungsabsicht abschicken" und dabei vor allem dem gewählten Wort "Kündigungsabsicht" der Eindruck entstehen, dass noch keine endgültige Kündigungserklärung damit verbunden ist. Damit genügte diese Formulierung nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Hinweis: Es wird deutlich, dass die Gerichte den Gesetzestext auch eindeutig umgesetzt haben wollen. Denn andernfalls ist nicht sichergestellt, dass Verbraucher auch tatsächlich eine Kündigungserklärung abgeben können.


Quelle: OLG Hamburg, Urt. v. 26.09.2024 - 5 UKI 1/23
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 01/2025)

Kein Auszug bei Modernisierung: Wer zur Duldung verurteilt wurde, darf sich meist auf passives Zulassen von Maßnahmen beschränken

Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten müssen in den meisten Fällen seitens der Mieter geduldet werden. Natürlich kann man nicht alle Maßnahmen einfach passiv ertragen, wenn man mitten im anfallenden Chaos leben muss. Die Frage aber, ob ein Mieter währenddessen auch zum Auszug gezwungen werden kann, wenn er bereits zur Duldung von Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten verurteilt wurde, musste das Landgericht Berlin II (LG) entscheiden.

Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten müssen in den meisten Fällen seitens der Mieter geduldet werden. Natürlich kann man nicht alle Maßnahmen einfach passiv ertragen, wenn man mitten im anfallenden Chaos leben muss. Die Frage aber, ob ein Mieter währenddessen auch zum Auszug gezwungen werden kann, wenn er bereits zur Duldung von Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten verurteilt wurde, musste das Landgericht Berlin II (LG) entscheiden.

Im Jahr 2021 war der Mieter zur Duldung mehrerer Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten verurteilt worden. Das Gericht hatte ihn verpflichtet, den von der Vermieterin beauftragten Handwerkern den Zutritt zur Ausführung der Arbeiten jeweils nach entsprechender rechtzeitiger Ankündigung vom Montag bis Freitag im Zeitraum zwischen 7 und 18 Uhr zu gewähren. Mit mehreren Schreiben forderte die Vermieterin den Mieter zwischen Juli und September 2023 auf, für Baufreiheit zu sorgen und das Haus zu räumen, da die Bewohnbarkeit der Immobilie in der Zeit der Bauphase nicht gegeben sei. Der Mieter erwiderte hingegen, dass er nur zur Duldung und Zutrittsgewährung, nicht jedoch zur vorübergehenden Räumung verurteilt worden sei. Daraufhin legte die Vermieterin eine Räumungsklage ein.

Die Klage wurde vor dem LG abgewiesen. Der im Gesetz verwendete Begriff der Duldung erfasse kein aktives Handeln, sondern beschränke sich auf ein passives Zulassen der Maßnahmen und die Gewährung von Zutritt. Ein zur Duldung von Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten verpflichteter Mieter muss das Mietobjekt während der Bauarbeiten nicht auf bloßes Verlangen des Vermieters räumen. Dies komme höchstens unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht - etwa dann, wenn die Maßnahmen bei einem baufälligen Haus nicht anders erledigt werden können. Dafür waren hier weder dem Ankündigungsschreiben noch den außergerichtlichen Schreiben entsprechende Anhaltspunkte zu entnehmen.

Hinweis: Gerade im Mietverhältnis ist das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme wichtig. Das gilt sowohl für den Mieter als auch für den Vermieter.


Quelle: LG Berlin II, Urt. v. 22.10.2024 - 65 S 139/24
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 01/2025)

Schlägerei beim Sportverein: Konzertveranstalter haften nicht automatisch für Folgen durch hinzugezogene Sicherheitskräfte

Selbst kleine körperliche Auseinandersetzungen können zu gravierenden Schädigungen führen. Das zieht dann meistens umfangreiche gerichtliche Verfahren nach sich. Wie mit einem solchen Verfahren mit Schadensersatzforderungen umzugehen ist, und ob der Veranstalter für durch ihn beauftragte Ordner haftet, musste das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) entscheiden.

Selbst kleine körperliche Auseinandersetzungen können zu gravierenden Schädigungen führen. Das zieht dann meistens umfangreiche gerichtliche Verfahren nach sich. Wie mit einem solchen Verfahren mit Schadensersatzforderungen umzugehen ist, und ob der Veranstalter für durch ihn beauftragte Ordner haftet, musste das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) entscheiden.

Ein Sportverein veranstaltete jährlich am ersten Weihnachtstag in einem Gemeindezentrum ein "Weihnachtsrock"-Konzert und erhielt von der Gemeinde die Auflage, die dortige Sicherheit zu gewährleisten. Es wurde daher ein Ordner beauftragt, der wiederum zwei weitere Sicherheitskräfte rekrutierte. Diese erhielten statt einer Bezahlung Freigetränke und eine Einladung zu einem späteren Helferfest. Dann kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung, deren Einzelheiten im Wesentlichen streitig blieben. Jedenfalls erlitt ein Gast durch eine Schlägerei mit einem Mitglied des Sicherheitspersonals einen Schädelbasisbruch mit Schädelhirntrauma dritten Grades und Hirnblutungen. Die Sicherheitskraft wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Der Täter sowie der Verein wurden sodann verklagt und als Gesamtschuldner zur Zahlung von 91.132 EUR sowie eines angemessenen Schmerzensgeldes verurteilt. Der Verein wehrte sich dagegen mit einer Berufung - und zwar erfolgreich.

Das OLG urteilte, dass der Gewaltexzess des Ordners nicht automatisch dem Konzertveranstalter zugerechnet werden kann. Die Begehung der vorsätzlichen Körperverletzung durch eine von einem örtlichen Verein für eine Konzertveranstaltung beauftragte Sicherheitskraft stand nicht mehr in einem inneren Zusammenhang mit der übertragenen Tätigkeit, weil diese ohne ersichtlichen Grund oder Provokation erfolgt sei und auch ein Außenstehender die Tätigkeit nicht als Teil der übertragenen Aufgabe aufgefasst hätte.

Hinweis: Ob und in welcher Höhe Ansprüche nach tätlichen Angriffen gegen den Schädiger bestehen, kann am besten der Rechtsanwalt des Vertrauens einschätzen.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 16.10.2024 - 9 U 85/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 01/2025)

Fingiert oder nicht? Versicherung muss mutmaßliche Vortäuschung eines Unfalls beweisen können

Der eine sagt so, der andere sagt so - das ist auch bei der Untersuchung eines Unfalls Alltag. Schließlich muss den Beteiligten unterstellt werden, nicht täglich mit derart ungewöhnlichen Umständen konfrontiert zu werden. Das sah ein Versicherer aber anders, weshalb die Beteiligten eines Verkehrsunfalls vor dem Landgericht Lübeck (LG) landeten.

Der eine sagt so, der andere sagt so - das ist auch bei der Untersuchung eines Unfalls Alltag. Schließlich muss den Beteiligten unterstellt werden, nicht täglich mit derart ungewöhnlichen Umständen konfrontiert zu werden. Das sah ein Versicherer aber anders, weshalb die Beteiligten eines Verkehrsunfalls vor dem Landgericht Lübeck (LG) landeten.

Der Sohn des Klägers hatte im Haus seiner Eltern eine Party veranstaltet, bei der auch die Freundin des Beklagten zu Gast war. Eben dieser Beklagte wollte sie mit dem (bei der ebenfalls mitverklagten Haftpflichtversicherung) versicherten Auto abholen. Sie wartete gemeinsam mit einer weiteren Zeugin an der Haustür, während der Beklagte das Auto holte. Er fuhr rückwärts vor das Haus und kollidierte dabei mit dem geparkten Fahrzeug des Klägers. Der Kläger hat die mitverklagte Haftpflichtversicherung daraufhin vergeblich zum Schadensersatz aufgefordert. Die Versicherung meinte nämlich, der Beklagte sei in Absprache mit dem Gastgeber absichtlich gegen dessen Auto gefahren, um die Versicherungssumme zu kassieren.

Das LG entschied nun, dass die Versicherung die Schäden ersetzen muss. Meint die Haftpflichtversicherung, der Unfall sei abgesprochen gewesen, muss sie beweisen, dass der Geschädigte mit der Beschädigung einverstanden gewesen sei. Derartiges konnte die Versicherung hier jedoch nicht beweisen. Im Streitfall wurden der Fahrer und weitere Partygäste zu dem Vorfall befragt und ein technischer Sachverständiger hinzugezogen. Daraus hat sich nach dem Gericht ergeben, dass der Fahrer aus Versehen gegen das Auto des Klägers gefahren sei und es keine Verabredung zu einem fingierten Unfall gegeben habe. Das Gericht wies dabei auch darauf hin, dass teilweise widersprüchliche Unfalldarstellungen nicht unbedingt für eine erfolgte Absprache sprechen.

Hinweis: Bei Verdacht auf ein fingiertes Unfallereignis kann der vom Kfz-Haftpflichtversicherer zu erbringende Nachweis im Rahmen des sogenannten Indizienbeweises geführt werden. Dieser Beweis ist bereits dann geführt, wenn sich eine Häufung von Umständen und Beweiszeichen findet, die in der Gesamtschau nach richterlicher Überzeugung darauf hindeutet. Typische Beweisanzeichen können sich aus dem Unfallhergang, der Art der Schäden, der Art der beteiligten Fahrzeuge, dem Anlass der Fahrt, fehlender Kompatibilität, persönlichen Beziehungen oder den wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien ergeben.


Quelle: LG Lübeck, Urt. v. 26.09.2024 - 3 O 193/22
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 01/2025)

Unbekannte (Mit-)Erben: Notwendigkeit der Nachlasspflegschaft muss für jeden potentiellen Erben einzeln geprüft werden

Der Nachlasspfleger als gesetzlicher Vertreter noch unbekannter Erben muss den Nachlass bis zur Ermittlung der Erben sichern und verwalten. Im Fall des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) war von zwei potentiellen Erben von einem nicht bekannt, ob er die Erbschaft ausschlage oder überhaupt Kenntnis von dem Erbfall habe. Das Amtsgericht (AG) hatte eine Nachlasspflegschaft über den gesamten Nachlass eingelegt. Hiergegen wendete sich die Miterbin mit einer Beschwerde.

Der Nachlasspfleger als gesetzlicher Vertreter noch unbekannter Erben muss den Nachlass bis zur Ermittlung der Erben sichern und verwalten. Im Fall des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) war von zwei potentiellen Erben von einem nicht bekannt, ob er die Erbschaft ausschlage oder überhaupt Kenntnis von dem Erbfall habe. Das Amtsgericht (AG) hatte eine Nachlasspflegschaft über den gesamten Nachlass eingelegt. Hiergegen wendete sich die Miterbin mit einer Beschwerde.

Das OLG stellte in seiner Entscheidung klar, dass eine Überprüfung der Notwendigkeit zur Anordnung einer Nachlasspflegschaft für jeden potentiellen Erben erfolgen müsse. Die vom AG vorgenommene Anordnung einer Gesamtnachlasspflegschaft widerspreche dieser Grundannahme, sobald ein Teil der Erben bereits bekannt und auch handlungsfähig ist. Die Anordnung einer Teilnachlasspflegschaft erfolge auch im Interesse von Gläubigern, die Ansprüche gegen den Nachlass geltend machen wollen, weil ihnen bei einer unklaren Erbfolge und ohne die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft nicht möglich ist, ihre Ansprüche zu verfolgen.

Hinweis: Jeder Gläubiger, der ein berechtigtes Interesse hat, einen Anspruch gegenüber dem Nachlass anzumelden, ist berechtigt, einen Antrag auf Einrichtung einer Nachlasspflegschaft zu stellen.


Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 11.07.2024 - 3 W 17/24
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 01/2025)