Betreuungsvertrag im Seniorenheim: Erhöhung von Unterbringungs- und Verpflegungskosten ist zustimmungspflichtig

Die überall spürbaren Preissteigerungen machen natürlich auch vor Bewohnern von Seniorenheimen nicht Halt. Dass eine Erhöhung der dort anfallenden Unterbringungs- und Verpflegungskosten jedoch ebenso eine Zustimmung der Nutzer verlangt wie sonst auch im Mietrecht, bewies ein Verbraucherverein mit seiner erfolgreichen Klage vor dem Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG).

Die überall spürbaren Preissteigerungen machen natürlich auch vor Bewohnern von Seniorenheimen nicht Halt. Dass eine Erhöhung der dort anfallenden Unterbringungs- und Verpflegungskosten jedoch ebenso eine Zustimmung der Nutzer verlangt wie sonst auch im Mietrecht, bewies ein Verbraucherverein mit seiner erfolgreichen Klage vor dem Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG).

Eine Seniorenresidenz hatte eine Entgelterhöhung angekündigt. Das Schreiben ging an alle Bewohner, Angehörige und Betreuer ihrer Einrichtung. Damit war ein Verbraucherverein jedoch nicht einverstanden, da er der Ansicht war, das Anschreiben unterscheide nicht hinlänglich zwischen Einzel- und Doppelzimmern und führe den Umlagemaßstab nicht an. Die Begründung für die einzelnen Kostensteigerungen sei daher nicht schlüssig nachzuvollziehen. Die Mieterhöhung und die Instandhaltungskostensteigerungen hätten konkret beziffert werden müssen. Ferner werde der Eindruck erweckt, dass die Erhöhung auch ohne Zustimmung der Bewohner wirksam werde. Stattdessen hätte eine von beiden Seiten zu unterzeichnende Nachtragsvereinbarung vorgesehen werden müssen.

Der entsprechenden Unterlassungsklage gab das OLG statt. Das Erhöhungsschreiben entsprach nicht den Anforderungen des § 9 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz. Das Schreiben beinhaltete keinen klaren Umlagemaßstab. Insbesondere jedoch erweckte es zudem den Eindruck, dass die Erhöhung allein aufgrund des Schreibens und nach Ablauf der dort genannten Frist eintrete. Es schien damit vollendete Tatsachen zu schaffen - die Heimbewohner hätten jedoch ein Zustimmungsrecht gehabt.

Hinweis: Wer Mieten erhöht, muss sich exakt an die gesetzlichen Vorgaben halten. Das gilt sowohl für die Benutzungsentgelte im Seniorenheim als auch für die normalen Mietzahlungen auf dem freien Wohnungsmarkt.


Quelle: OLG Zweibrücken, Urt. v. 20.08.2024 - 8 U 62/23
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 11/2024)

Paranoid-schizophrene Mieterin: Kommunale Wohnungsunternehmen müssen vor Kündigung Verhältnismäßigkeitsprinzip beachten

Kommunalen Unternehmen wird bei der Beachtung von Grundrechten besonders auf die Finger geschaut. Zu ihren diesbezüglichen Pflichten gehört daher auch, bei ihren Maßnahmen auf die Verhältnismäßigkeit zu achten. Was wären die Folgen - hier einer Kündigung des Wohnraums -, und hätten mildere Maßnahmen womöglich ebenso zum Ziel führen können - wie hier zur Wiederherstellung des Hausfriedens? Es war das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek (AG) gefragt.

Kommunalen Unternehmen wird bei der Beachtung von Grundrechten besonders auf die Finger geschaut. Zu ihren diesbezüglichen Pflichten gehört daher auch, bei ihren Maßnahmen auf die Verhältnismäßigkeit zu achten. Was wären die Folgen - hier einer Kündigung des Wohnraums -, und hätten mildere Maßnahmen womöglich ebenso zum Ziel führen können - wie hier zur Wiederherstellung des Hausfriedens? Es war das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek (AG) gefragt.

Es ging um eine Mieterin des größten kommunalen Wohnungsunternehmens Deutschlands. Diese Mieterin litt an einer paranoiden Schizophrenie, die zu erheblichen Verhaltensauffälligkeiten ihrem wohnlichen Umfeld gegenüber führte. Es kam beispielsweise völlig unstreitig zu regelmäßigem Geschrei, lauter Musik, dem Zertrümmern von Gegenständen, Aggressivität gegenüber der Nachbarschaft und ähnlichen Dingen. Schließlich kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis und erhob eine Räumungsklage - dies jedoch vergeblich.

Es kann nach Ansicht des AG der Vermieterin unter Abwägung der beiderseitigen Interessen zugemutet werden, das Mietverhältnis fortzusetzen. Das Gericht hat dabei insbesondere berücksichtigt, dass die Vermieterin als kommunales Wohnungsunternehmen einer unmittelbaren Grundrechtsbindung unterliegt und somit in besonderem Maße an das Verhältnismäßigkeitsprinzip gebunden ist. Beim Ausspruch einer Kündigung müssen kommunale Wohnungsunternehmen insbesondere bei vulnerablen Mietern die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte und etwaige Grundrechtsbeeinträchtigungen für den Mieter aufgrund der Vertragsbeendigung berücksichtigen. Sie müssen zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor Ausspruch der Kündigung mildere Maßnahmen zur Vermeidung der Kündigung erwägen und diese gegebenenfalls ergreifen. Außerdem können sie zur Einschaltung des sozialpsychiatrischen Dienstes und/oder zum Angebot einer Ersatzwohnung verpflichtet sein, um eine nachhaltige Hausfriedensstörung zu beseitigen.

Hinweis: Eigentlich dürfte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass insbesondere kommunale Wohnungsunternehmen die Regelungen des Grundgesetzes zu beachten haben.


Quelle: AG Hamburg-Wandsbek, Urt. v.  27.07.2024 - 711 C 17/24
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 11/2024)

Kein Widerrufsrecht: Wer nach Beratung die Prozessvollmacht unterzeichnet, muss anwaltlichen Aufwand begleichen

Gerichtliche Streitigkeiten sind für die meisten Menschen belastend genug, da muss nicht noch Ärger mit dem eigenen Rechtsanwalt hinzukommen. Wenn man diesem aber nach einem Beratungsgespräch eine Prozessvollmacht unterschreibt, muss man damit rechnen, dass ein späterer Sinneswandel eine teure Angelegenheit werden kann - so geschehen im folgenden Fall des Amtsgerichts Brühl (AG).

Gerichtliche Streitigkeiten sind für die meisten Menschen belastend genug, da muss nicht noch Ärger mit dem eigenen Rechtsanwalt hinzukommen. Wenn man diesem aber nach einem Beratungsgespräch eine Prozessvollmacht unterschreibt, muss man damit rechnen, dass ein späterer Sinneswandel eine teure Angelegenheit werden kann - so geschehen im folgenden Fall des Amtsgerichts Brühl (AG).

Ein selbständiger Maler ging zu einem Rechtsanwalt, nachdem er ein Dreivierteljahr zuvor einen Unfall bei der Arbeit erlitten hatte, weil er von einer Leiter abgerutscht war. Von seiner Versicherung hatte er zwar bereits Zahlungen erhalten, dann zweifelte diese aber den Arbeitsunfall des Mannes an und lehnte weitere Leistungen ab. Die Versicherung stellte ihm stattdessen in Aussicht, auf eine Rückforderung des bereits gezahlten Betrags zu verzichten, wenn der Maler die Angelegenheit seinerseits abschließen würde. Im Anschluss an das Gespräch mit dem Rechtsanwalt unterzeichnete der Maler eine Vollmacht, woraufhin der Anwalt am nächsten Tag ein Schreiben an die Versicherung erstellte. Zwei Tage später teilte der Maler dem Anwalt dann jedoch mit, dass er nun doch von einer Beauftragung Abstand nehmen wolle. Die Akte wurde wunschgemäß geschlossen und der Anwalt übersandte dem Mann eine Rechnung von etwas über 3.000 EUR für seine geleistete Arbeit. Als diese Rechnung nicht bezahlt wurde, verklagte nun der Rechtsanwalt den Maler.

Das AG glaubte dem Anwalt, dass der Vertrag zustande gekommen war. Es würde schließlich keinen Sinn ergeben, zum Abschluss des Beratungsgesprächs eine umfassende Prozessvollmacht zu unterzeichnen, wenn der Mandant im unmittelbar vorausgehenden Gespräch keine nach außen gerichtete Tätigkeit des Rechtsanwalts verlangt hätte. Deshalb musste der Maler zahlen - wenngleich etwas weniger als ursprünglich eingeklagt.

Hinweis: Anwaltliche Gebührenrechnungen sind für Dritte nur schwer verständlich. Hier hilft es, miteinander zu sprechen und den Rechtsanwalt des Vertrauens zu fragen, wie genau sich die Gebühren zusammensetzen.


Quelle: AG Brühl, Urt. v. 12.07.2024 - 23 C 170/23
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 11/2024)

Nettopreis gilt: Hypothetischer Verkauf bildet Grundlage zur Ermittlung des merkantilen Minderwerts

Ein Kraftfahrzeug hat nach einer unfallbedingten Reparatur als sogenanntes Unfallfahrzeug einen geringeren Wert auf dem Gebrauchtwagenmarkt hat als ein unfallfreies Fahrzeug. Diesen Wert nennt man den merkantilen Minderwert. Der Bundesgerichtshof (BGH) musste entscheiden, ob aus diesem Minderwert die Umsatzsteuer herauszurechnen ist.

Ein Kraftfahrzeug hat nach einer unfallbedingten Reparatur als sogenanntes Unfallfahrzeug einen geringeren Wert auf dem Gebrauchtwagenmarkt hat als ein unfallfreies Fahrzeug. Diesen Wert nennt man den merkantilen Minderwert. Der Bundesgerichtshof (BGH) musste entscheiden, ob aus diesem Minderwert die Umsatzsteuer herauszurechnen ist.

Die Leasingnehmerin eines Fahrzeugs, die zur Geltendmachung der Ansprüche der Leasinggeberin im eigenen Namen ermächtigt war, nahm nach einem Verkehrsunfall den gegnerischen Haftpflichtversicherer auf restlichen Schadensersatz in Anspruch. Ein von der Klägerin beauftragter Sachverständiger stellte den merkantilen Minderwert von 5.000 EUR fest. Die Beklagte erstattete jedoch lediglich einen Betrag in Höhe von 4.201,68 EUR - mit der Begründung, dass ein Abzug in Höhe des Umsatzsteueranteils vorzunehmen sei. Mit der Klage forderte die Klägerin die Differenz von 798,32 EUR ein.

Das Amtsgericht Coburg hatte der Klage stattgegeben, die anschließende Berufung der Beklagten wurde vom Landgericht Coburg zurückgewiesen. Beide Vorinstanzen sprachen der Leasingnehmerin den merkantilen Minderwert von 5.000 EUR zu, basierend auf dem geschätzten Bruttobetrag. Dies geschah mit der Begründung, dass Sinn und Zweck der Entschädigung des Minderwerts, der lediglich einen fiktiven Wert darstellt und dessen Realisierung völlig ungewiss ist, gegen einen Abzug des Umsatzsteueranteils sprechen.

Der BGH war nun jedoch anderer Meinung: Der merkantile Minderwert eines erheblich unfallbeschädigten Fahrzeugs ist unabhängig davon zu ersetzen, welche Pläne der Geschädigte mit dem Fahrzeug hat. Insbesondere kommt es für die Begründung des Anspruchs auf Ersatz des merkantilen Minderwerts nicht darauf an, ob der Geschädigte das Fahrzeug verkauft und sich der Minderwert tatsächlich im vermuteten geringeren Verkaufspreis manifestiert. Grundlage für die Schätzung des merkantilen Minderwerts ist ein hypothetischer Verkauf des Fahrzeugs - und zwar typischerweise im Inland. Auch wenn die Begründung des Anspruchs auf Ersatz des merkantilen Minderwerts nicht voraussetzt, dass der Geschädigte das Unfallfahrzeug verkauft und sich der Minderwert tatsächlich in einem geringeren Verkaufspreis manifestiert, ist der Berechnung der Höhe dieses Ersatzanspruchs doch gedanklich ein Verkauf zugrunde zu legen. Veräußert ein Unternehmen das Fahrzeug, käme zwar die Umsatzsteuer beim Verkauf oben drauf - diese wäre aber nur ein durchlaufender Posten, der an das Finanzamt weitergeleitet werden würde. Veräußert eine Privatperson das Fahrzeug, dürfte die Umsatzsteuer erst gar nicht berechnet und ausgewiesen werden.

Hinweis: Der BGH legt nachvollziehbar dar, warum der merkantile Minderwert vom Nettoverkaufspreis berechnet werden muss. Um sicherzustellen, dass Geschädigte keine Probleme mit möglichen Kürzungen durch die gegnerische Versicherung haben, sollten Sachverständige in ihren Gutachten ausdrücklich angeben, dass der berechnete Minderwert auf dem Nettoverkaufspreis basiert. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob es sich bei dem Geschädigten um einen Unternehmer oder eine Privatperson handelt. Der Senat hat in drei weiteren Verfahren (Az. VI ZR 205/23, VI ZR 239/23 und VI ZR 188/22) in dieser Frage ebenso entschieden.
 
 


Quelle: BGH, Urt. v. 16.07.2024 - VI ZR 243/23
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 11/2024)

Unklare Verhältnisse: Mithaftung des Vorfahrtsberechtigten bei schwieriger Straßengestaltung

Unklare Verhältnisse sind im deutschen Straßenverkehr an der Tagesordnung und die Gründe mannigfaltig. Dem Fall, der vor dem Landgericht Lübeck (LG) landete, lag gar eine schwierige Straßengestaltung zugrunde, die es den Beteiligten nicht einfach machte, sie gefahrenlos für sich und andere zu passieren. In der Folge stritten sich die Parteien auch um die Haftungsverteilung.

Unklare Verhältnisse sind im deutschen Straßenverkehr an der Tagesordnung und die Gründe mannigfaltig. Dem Fall, der vor dem Landgericht Lübeck (LG) landete, lag gar eine schwierige Straßengestaltung zugrunde, die es den Beteiligten nicht einfach machte, sie gefahrenlos für sich und andere zu passieren. In der Folge stritten sich die Parteien auch um die Haftungsverteilung.

Eine innerstädtische Straßenführung war so gestaltet, dass eine Straße in eine Querstraße einmündete, gegenüber aber ein "Platz" angelegt war, der aufgrund seiner Pflasterung für einen Straßenteil gehalten werden konnte. Da eine klärende Beschilderung nicht vorhanden war, entstand somit der Eindruck einer Kreuzung, obwohl es sich um eine Parkplatzausfahrt handelte. Ein Autofahrer näherte sich der Querstraße und wollte links abbiegen, während zeitgleich eine Autofahrerin aus dem "Platz" ausfahren wollte. Beide fuhren los, es kam zur Kollision. Der Linksabbieger forderte 100 % Schadensersatz, da die andere Beteiligte aus dem Parkplatz ausgefahren und somit wartepflichtig gewesen sei. Diese wandte ein, es handele sich um eine Kreuzung, so dass sie Vorrang vor dem Linksabbieger gehabt habe.

Das LG entschied, dass dem Vorfahrtsberechtigten ein Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 75 % zusteht. Die Beklagte ist mit ihrem Fahrzeug von einem anderen Straßenteil - nämlich über eine von einer Parkplatzfläche wegführende Abfahrt und damit von einem Bereich, der nicht dem fließenden Verkehr dient - auf eine Fahrbahn in den fließenden Verkehr eingefahren. Somit ist es in engem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang zu einer Kollision mit dem vorfahrtberechtigten Fahrzeug gekommen. Dabei ist das Gebot, sich bei der Eingliederung in den fließenden Verkehr so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist, so zu verstehen, dass dem Fahrzeugführer äußerste Sorgfalt auferlegt wird - insbesondere gegenüber dem fließenden Verkehr. Und genau hiergegen hatte die Beklagte verstoßen. Dennoch trifft den Kläger eine Mithaftung aus der Betriebsgefahr in Höhe von 25 %. Insgesamt habe die Straßenführung vor Ort den Eindruck einer Kreuzung mit vier Fahrtrichtungen gemacht. Aufgrund dieser unklaren Straßenverhältnisse und aufgrund des Umstands, dass der Kläger an einer tatsächlichen Kreuzung vorfahrtsberechtigt gewesen wäre, wiege der Verstoß der Beklagten nicht derart schwer, dass er die allgemeine Haftung der Klägerseite vollständig in den Hintergrund treten lässt.

Hinweis: Nach § 10 Satz 1 Straßenverkehrs-Ordnung hat sich ein Fahrzeugführer, der aus einem Grundstück, aus einer Fußgängerzone, aus einem verkehrsberuhigten Bereich auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Zu den "anderen Straßenteilen" im Sinne dieser Bestimmung gehören die rechtlich oder tatsächlich öffentlichen, aber nicht für den fließenden Durchgangsverkehr bestimmten Flächen, die zur Aufnahme der Kraftfahrzeuge im Anschluss an deren Herausnahme aus dem fließenden Verkehr bis zu ihrer Wiedereingliederung dienen - also etwa Gehwege, Seitenstreifen, Parkplätze und Tankstellen einschließlich ihrer Zu- und Abfahrten.


Quelle: LG Lübeck, Urt. v. 10.05.2024 - 14 S 7/23
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 11/2024)

Die Duplexgarage: Welche Kontrollpflichten Nutzer und welche Beweispflichten Geschädigte treffen

Um seinen Wagen geschützt und platzsparend zu parken, empfehlen sich besonders in urbanen Wohngegenden sogenannte Duplexgaragen. Das Amtsgericht München (AG) musste im Fall des geschädigten "Untermieters" und des beklagten "Obermieters" eines solchen Garagenplatzes die Schadensersatzansprüche nach angeblich unsachgemäßer Bedienung der Hebevorrichtung prüfen. Das Problem hierbei lag - wie so oft und völlig fachgebietsunspezifisch - in der Vorlage von entsprechenden Beweisen.

Um seinen Wagen geschützt und platzsparend zu parken, empfehlen sich besonders in urbanen Wohngegenden sogenannte Duplexgaragen. Das Amtsgericht München (AG) musste im Fall des geschädigten "Untermieters" und des beklagten "Obermieters" eines solchen Garagenplatzes die Schadensersatzansprüche nach angeblich unsachgemäßer Bedienung der Hebevorrichtung prüfen. Das Problem hierbei lag - wie so oft und völlig fachgebietsunspezifisch - in der Vorlage von entsprechenden Beweisen.

Der Beklagte bediente eines Morgens die Hebevorrichtung, um an in seinem Fahrzeug deponiertes Werkzeug zu gelangen. Beim Absenken des Parkplatzes hörte der Mann ein kratzendes Geräusch und fuhr den Stellplatz wieder nach oben. Nachdem der Beklagte den Kläger noch am selben Tag informiert hatte, gingen beide abends gemeinsam in die Tiefgarage. Dort bediente der Beklagte die Hebevorrichtung erneut. Diese Art der Beweisaufnahme hat gesessen, denn hierdurch sei zudem die Antenne am Dach des gegnerischen Fahrzeugs zertrümmert und das Dach eingedrückt worden. Der Kläger war nun der Ansicht, der Beklagte hafte für die Schäden an seinem Pkw. Denn sein Auto sei schließlich ordnungsgemäß in der Duplexgarage abgestellt gewesen. Der Beklagte hätte nach dem Hören der Kratzgeräusche jegliche Bedienung sofort einstellen müssen. Die zweite Bedienung der Hebevorrichtung am Abend sei ohne sein Einverständnis erfolgt, so der Kläger. Die Auffassung des Beklagten hörte sich jedoch anders an. Nach seiner Schilderung habe der Pkw des Klägers entweder nicht auf den Stellplatz gepasst oder sei eben einfach nicht ordnungsgemäß abgestellt worden.

Und siehe an: Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Absenkung der Hebevorrichtung geschehe allein durch Drehen eines Schlüssels in der Schlüsselschaltung. Hierbei könne dem Beklagten lediglich dann ein Vorwurf gemacht werden, wenn dieser hätte erkennen können, dass durch das Herabfahren der Hebevorrichtung das Fahrzeug des Klägers beschädigt werde. Hierfür gab es aber keinerlei Anhaltspunkte. Den Beklagten treffe zudem keine Verpflichtung, noch vor Betätigung der Hebevorrichtung zu kontrollieren, ob die geparkten Fahrzeuge ordnungsgemäß geparkt seien. Was die zweite Bedienung der Hebevorrichtung anging, sei nicht nachgewiesen, dass der Beklagte die Vorrichtung ohne Einverständnis des Klägers noch einmal bedient hatte. Vorliegend sei zudem auch durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht feststellbar, welche Schäden am Klägerfahrzeug bei welcher Bewegung der Hebevorrichtung entstanden sind. Bei der ersten Betätigung der Hebevorrichtung traf den Beklagten unzweifelhaft kein Verschulden. Und selbst, wenn man davon ausgehen würde, dass die zweite Absenkung ohne Einverständnis des Klägers erfolgte, sei nicht ermittelbar, welche konkreten Schäden hierdurch entstanden seien.

Hinweis: Die Besonderheit in diesem Fall lag darin, dass der Kläger dem Beklagten ein Verschulden an der Beschädigung seines Fahrzeugs nachweisen musste. Diesen Beweis konnte er nicht erbringen.


Quelle: AG München, Urt. v. 11.04.2024 - 223 C 19925/23
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 11/2024)

Kündigung nach Arbeitsverweigerung: Es gibt kein Recht auf einheitlich anspruchsvolle Arbeit

Verweigert ein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung, darf ihm sein Arbeitgeber in den meisten Fällen kündigen. Ob dies auch gilt, wenn der Arbeitnehmer geschuldete Arbeiten nur teilweise nicht ausführen will, war die Frage, die das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) beantworten musste.

Verweigert ein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung, darf ihm sein Arbeitgeber in den meisten Fällen kündigen. Ob dies auch gilt, wenn der Arbeitnehmer geschuldete Arbeiten nur teilweise nicht ausführen will, war die Frage, die das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) beantworten musste.

Ein Maschinenbediener war jahrelang für drei Maschinen zuständig. Im Jahr 2020 kam eine vierte Maschine hinzu, die einfacher zu bedienen war als die bisherigen. Auch die neue Maschine bediente er zunächst, ohne sich zu beschweren. Dann kam es jedoch zu einer Leistungsbeurteilung, mit der der Mann nicht einverstanden war. Er verlangte eine bessere Beurteilung und in der Folge mehr Geld, oder er werde die neue Maschine nicht mehr bedienen. Der Mitarbeiter meinte, die Arbeit an dieser Maschine verweigern zu dürfen, weil die Arbeit daran unter seinem Qualifikationsniveau liege. Schließlich machte der Mitarbeiter seine Drohung wahr und bediente nur die drei alten Maschinen. Auch einer Aufforderung des Vorgesetzten, die neue Maschine zu bestücken und laufen zu lassen, kam der Mann nicht nach. Das wollte sich der Arbeitgeber nicht gefallen lassen und kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht. Gegen die Kündigung reichte der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage ein - dies jedoch erfolglos.

Das LAG war der Auffassung, dass es kein Recht auf eine einheitlich anspruchsvolle Arbeit gibt. Weil der Mitarbeiter als Maschinenbediener eingestellt war, durfte der Arbeitgeber ihm auch die Bedienung der neuen Maschine zuweisen. Da der Arbeitnehmer der Aufforderung nicht nachkam, lag eine beharrliche Arbeitsverweigerung durch den Mitarbeiter vor, die eine fristlose Kündigung durchaus rechtfertigen kann - insbesondere, da der Arbeitgeber dem Mitarbeiter an seinem letzten Arbeitstag die fristlose Kündigung angedroht und ihn damit vergeblich abgemahnt hatte.

Hinweis: Die Interessenabwägung führte allerdings dazu, dass nur die fristgemäße Kündigung wirksam war. Dabei spielte auch eine Rolle, dass der Arbeitgeber am letzten Arbeitstag des Mitarbeiters geäußert hatte, dass der Mitarbeiter bei Bedarf auch Toiletten putzen und die Straße fegen müsse. Diese Provokation minderte nach Auffassung des Gerichts das Verschulden des Mitarbeiters.


Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 17.04.2024 - 12 Sa 747/23
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 11/2024)

Kasse zahlt Kryokonservierung: Recht auf leibliche Nachkommen besteht auch bei Geschlechtsangleichung

Ob eine Person, der bereits der Anspruch einer geschlechtsangleichenden Behandlung zugesprochen wurde, vor der Angleichung auch einen Anspruch auf Kryokonservierung der Samenzellen bei seiner Krankenversicherung anmelden kann, bewertete das Bundessozialgericht (BSG).

Ob eine Person, der bereits der Anspruch einer geschlechtsangleichenden Behandlung zugesprochen wurde, vor der Angleichung auch einen Anspruch auf Kryokonservierung der Samenzellen bei seiner Krankenversicherung anmelden kann, bewertete das Bundessozialgericht (BSG).

Ein Mann war inmitten einer geschlechtsangleichenden Behandlung von Mann zu Frau. Diese Angleichung, die von der Krankenkasse bezahlt wird, würde in der Folge auch zum Verlust der Fruchtbarkeit führen. Um sich jedoch auch nach der Angleichung die Möglichkeit einer künstlichen Befruchtung mit seinen eigenen Samenzellen zu sichern, beantragte der Mann die Übernahme der Kosten einer Kryokonservierung der Samenzellen durch die Krankenversicherung.

Das BSG urteilte positiv für ihn, denn auch die geschlechtsangleichende Behandlung kann einen Anspruch auf Kryokonservierung von Samenzellen begründen. Schließlich haben Menschen gemäß § 2 Richtlinie zur Kryokonservierung, § 27a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch vor keimzellschädigenden Behandlungen - beispielsweise bei Strahlentherapie oder bei fertilisationsschädigenden Medikationen - die gesetzliche Möglichkeit einer Kryokonservierung. Dieser Anspruch resultiert aus dem Bedürfnis, die eigene Fortpflanzungsfähigkeit zu erhalten, und gilt unabhängig von der geschlechtlichen Identität. Den Anspruch haben daher auch Personen, die auf Kosten der Krankenkasse eine geschlechtsangleichende Behandlung von Mann zu Frau durchführen. Die Kostentragungspflicht der Geschlechtsangleichung kann den Anspruch auf Kostentragung für die Kryokonservierung indizieren.

Hinweis: Eine Geschlechtsangleichung wird dann vorgenommen bzw. von einer Person angestoßen, wenn diese sich im falschen Körper geboren fühlt. Durch das Geborensein im falschen Körper soll ihr aber nicht verwehrt werden, leibliche Nachkommen zu haben. Im Prozess der Geschlechtsangleichung sollte daher immer auch an die Kryokonservierung gedacht werden.


Quelle: BSG, Urt. v. 28.08.2024 - B 1 KR 28/23 R
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 11/2024)

Bei teilmittellosem Nachlass: Die Vergütung des Nachlasspflegers hat Vorrang vor den Gerichtskosten

Der Bundesgerichtshof (BGH) musste einen seit längerem in der Rechtsprechung bestehenden Streit entscheiden. Die zu klärende Frage war, in welcher Rangfolge die Vergütung des Nachlasspflegers im Verhältnis zu den Gerichtskosten bei einem teilmittellosen Nachlass steht. Bei einem solchen Nachlass liegt zwar ein Aktivvermögen vor, das insgesamt aber nicht ausreichend ist, um sämtliche Nachlassverbindlichkeiten abzudecken.

Der Bundesgerichtshof (BGH) musste einen seit längerem in der Rechtsprechung bestehenden Streit entscheiden. Die zu klärende Frage war, in welcher Rangfolge die Vergütung des Nachlasspflegers im Verhältnis zu den Gerichtskosten bei einem teilmittellosen Nachlass steht. Bei einem solchen Nachlass liegt zwar ein Aktivvermögen vor, das insgesamt aber nicht ausreichend ist, um sämtliche Nachlassverbindlichkeiten abzudecken.

Im konkreten Fall bestand der Aktivnachlass aus einem Guthaben in Höhe von etwa 1.400 EUR. Der vom Gericht eingesetzte Nachlasspfleger rechnete seine Vergütung auf der Basis von etwa 1.377 EUR ab. Die Gerichtskosten beliefen sich auf 200 EUR. Das zuvor mit dem Fall befasste Hanseatische Oberlandesgericht war der Ansicht, dass sowohl die Kosten des Nachlasspflegers als auch die Gerichtskosten gleichrangig behandelt werden müssten, was zu einer Kürzung der Vergütung des Nachlasspflegers geführt hätte. Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde des Nachlasspflegers war jedoch erfolgreich.

Der BGH entschied nämlich, dass bei einem teilmittellosen Nachlass die Vergütung des Nachlasspflegers Vorrang vor den Gerichtskosten hat. Zur Begründung führt der BGH aus, dass der Gesetzgeber für den Fall, dass er einen Gleichrang berücksichtigt wissen will, hierfür eine gesetzliche Regelung schaffen müsse. Aus dem derzeitigen Wortlaut des Gesetzes ergebe sich hingegen ein Vorrang der Vergütung des Nachlasspflegers, der seine Vergütung daher auch in voller Höhe erhält.

Hinweis: Reicht bei einem teilmittellosen Nachlass dieser nicht vollständig aus, um die der Höhe nach berechtigte Vergütung des Nachlasspflegers abzudecken, erhält dieser den Restbetrag aus der Staatskasse.


Quelle: BGH, Beschl. v. 24.07.2024 - IV ZB 8/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 11/2024)

Hinweisgeberschutzgesetz: Whistleblower aus EU-Parlament erhält Entschädigung

Hier kommt der erste Fall zum neuen Hinweisgeberschutzgesetz, und den hatte auch gleich das Gericht der Europäischen Union (EuG) - eigenständiges europäisches Gericht und zudem Vorinstanz des Europäischen Gerichtshofs - zu entscheiden. Warum? Weil es hierbei um ein mutmaßliches Fehlverhalten innerhalb des EU-Parlaments ging.

Hier kommt der erste Fall zum neuen Hinweisgeberschutzgesetz, und den hatte auch gleich das Gericht der Europäischen Union (EuG) - eigenständiges europäisches Gericht und zudem Vorinstanz des Europäischen Gerichtshofs - zu entscheiden. Warum? Weil es hierbei um ein mutmaßliches Fehlverhalten innerhalb des EU-Parlaments ging.

Ein parlamentarischer Assistent hatte das Fehlverhalten seines Vorgesetzten - eines EU-Abgeordneten - gemeldet. Konkret beschwerte er sich über Mobbingverhaltensweisen und finanzielle Unregelmäßigkeiten, die sich auf den Abgeordneten bezogen. Als sein Chef davon erfuhr, reagierte dieser umgehend und sorgte dafür, dass der Arbeitnehmer einem anderen Abgeordneten zugewiesen wurde. Nach angeblichen Vergeltungsmaßnahmen wurde er dann aber bald von seiner Aufgabe freigestellt. Zudem wurde sein befristeter Vertrag nicht verlängert. Damit war der Beschäftigte nicht einverstanden und forderte eine Entschädigung von 200.000 EUR. Diese begründete er damit, dass er sich nicht nur in den unzureichenden Schutzvorgaben verletzt sah, sondern auch in der Vertraulichkeit seiner Identität.

Der Arbeitnehmer hatte mit seiner Klage teilweise Erfolg. Das EuG hob die stillschweigende Ablehnung ergänzender Schutzmaßnahmen auf. Zudem sprach es dem Beschäftigten eine Entschädigung in Höhe von 10.000 EUR zu und stellte fest, dass das Parlament ohne Zustimmung den Status des Betroffenen als Hinweisgeber offengelegt und ihn damit der Gefahr von Repressalien ausgesetzt habe. Das Parlament habe deshalb den Status des Assistenten als Hinweisgeber nicht anerkannt. Das hätte es aber tun müssen - genauso, wie es ihn vor Vergeltungsmaßnahmen hätte schützen müssen. Der Arbeitnehmer habe insoweit glaubwürdige Anhaltspunkte dafür geliefert, dass er aufgrund der Neuzuweisung einen Schaden erlitten habe. Deshalb hätte das Parlament ihm gegenüber eine Schutzpflicht gehabt. Das EuG stellte in seiner Begründung jedoch auch klar, dass die Nichtverlängerung des Vertrags des Betroffenen grundsätzlich im Einklang mit den geltenden Vorschriften stehe. Der Arbeitnehmer habe keinen Anspruch auf Verlängerung.

Hinweis: Der Arbeitgeber ist den Nachweis schuldig geblieben, dass er alle Vorkehrungen getroffen hatte, um dem Betroffenen nicht aufgrund seines Hinweises Schaden zuzufügen. Das sollten Arbeitgeber künftig beachten.


Quelle: EuG, Urt. v. 11.09.2024 - T-793/22
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 11/2024)