Inhaftierte Straftäter vor dem Finanzgericht: Hand- und Fußfesseln dürfen nicht pauschal angeordnet werden

Wenn das Finanzgericht (FG) einen lebenslang inhaftierten Straftäter zur mündlichen Verhandlung lädt, legt es ein besonderes Augenmerk auf die Sicherheitsmaßnahmen im Gerichtssaal. Dass dabei jedoch nicht pauschal eine Fesselung an Händen und Füßen angeordnet werden darf, zeigt nun ein neuer Fall des Bundesfinanzhofs (BFH). Vorliegend hatte ein seit Jahrzehnten inhaftierter Straftäter ein Klageverfahren seiner verstorbenen Mutter als Rechtsnachfolger fortgeführt. Die zuständige Einzelrichterin hatte den Mann zur mündlichen Verhandlung geladen und die Justizvollzugsanstalt gebeten, den Kläger im Sitzungssaal zu bewachen und an Händen und Füßen zu fesseln. Der Kläger weigerte sich, unter diesen Voraussetzungen an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, so dass das FG in seiner Abwesenheit verhandelte und seine Klage abwies.

Wenn das Finanzgericht (FG) einen lebenslang inhaftierten Straftäter zur mündlichen Verhandlung lädt, legt es ein besonderes Augenmerk auf die Sicherheitsmaßnahmen im Gerichtssaal. Dass dabei jedoch nicht pauschal eine Fesselung an Händen und Füßen angeordnet werden darf, zeigt nun ein neuer Fall des Bundesfinanzhofs (BFH). Vorliegend hatte ein seit Jahrzehnten inhaftierter Straftäter ein Klageverfahren seiner verstorbenen Mutter als Rechtsnachfolger fortgeführt. Die zuständige Einzelrichterin hatte den Mann zur mündlichen Verhandlung geladen und die Justizvollzugsanstalt gebeten, den Kläger im Sitzungssaal zu bewachen und an Händen und Füßen zu fesseln. Der Kläger weigerte sich, unter diesen Voraussetzungen an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, so dass das FG in seiner Abwesenheit verhandelte und seine Klage abwies.

Der BFH hob die finanzgerichtliche Entscheidung nun jedoch auf und verwies die Sache zurück an das FG, da ein Verfahrensmangel vorlag. Nach Ansicht der Bundesrichter war der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt worden. Zwar standen der Einzelrichterin sitzungspolizeiliche Befugnisse zu, um den ungestörten Verlauf der Sitzung zu sichern, die Fesselungsanordnung ging jedoch über diese Befugnisse hinaus und war rechtswidrig. Die Fesselung eines Prozessbeteiligten ist der stärkste Eingriff in die Bewegungsfreiheit des Betroffenen und ein Grundrechtseingriff von erheblichem Gewicht. Sie kommt daher nur in Betracht, wenn kein milderes Mittel möglich ist und konkrete Tatsachen vorliegen, die eine Fesselung rechtfertigen. Hierzu können zum Beispiel frühere Auffälligkeiten im Justizvollzug wie Gewalttätigkeiten oder Fluchtversuche zählen oder erkennbare Suizidabsichten. Da solche konkreten Anhaltspunkte nicht vorgetragen worden waren, durfte das FG pauschal keine Fesselung anordnen.

Hinweis: Im zweiten Rechtszug muss das FG nun also voraussichtlich ohne Fesselung verhandeln, sofern keine konkreten Anhaltspunkte dagegensprechen. Um die Sicherheit im Gerichtssaal zu gewährleisten, wird dem Kläger dann aber wohl ein Platz neben einem oder zwischen zwei Justizwachtmeistern zugewiesen.

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zum Thema: übrige Steuerarten

(aus: Ausgabe 11/2023)

Sozialleistung: Anspruch auf Kindergeld wegen seelischer Behinderung

In der Regel haben Sie bis zum 18. Geburtstag Ihres Kindes einen Anspruch auf Kindergeld. Über diesen Zeitraum hinaus besteht dieser Anspruch beispielsweise dann, wenn sich das Kind noch in einer Ausbildung befindet. Auch bei einer Behinderung des Kindes erhalten Sie über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus Kindergeld. In einem Streitfall vor dem Finanzgericht Hamburg (FG) ging es darum, ob eine seelische Behinderung vorlag und ob diese tatsächlich von einer fachlich geeigneten Person festgestellt wurde.

In der Regel haben Sie bis zum 18. Geburtstag Ihres Kindes einen Anspruch auf Kindergeld. Über diesen Zeitraum hinaus besteht dieser Anspruch beispielsweise dann, wenn sich das Kind noch in einer Ausbildung befindet. Auch bei einer Behinderung des Kindes erhalten Sie über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus Kindergeld. In einem Streitfall vor dem Finanzgericht Hamburg (FG) ging es darum, ob eine seelische Behinderung vorlag und ob diese tatsächlich von einer fachlich geeigneten Person festgestellt wurde.

Die Klägerin hat eine volljährige Tochter D. Diese schloss die Schule im Juni 2015 mit dem Abitur ab. Aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen (Entfernung mehrerer Tumore) konnte D keine Ausbildung beginnen. Die Klägerin hatte Kindergeld für D beantragt und auch erhalten. Im April 2019 wurde die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Oktober 2016 bis Februar 2018 sowie ab April 2018 aufgehoben. Die Klägerin legte dagegen Einspruch ein. Dieser wurde abgelehnt, woraufhin die Mutter Klage erhob.

Da D laut der Klägerin auch an Depressionen litt, sich aber nicht in fachärztliche Behandlung begeben hatte, ordnete das Gericht ein Sachverständigengutachten an. Darin sollte geklärt werden, ob eine sich möglicherweise auf die Fähigkeit zum Selbstunterhalt auswirkende Behinderung vorliegt. Das Gutachten erfolgte durch einen Diplom-Psychologen und Psychologischen Psychotherapeuten. Die Familienkasse war jedoch der Ansicht, dass ein Gutachten zur Feststellung einer Behinderung nur durch einen Arzt erstellt werden kann.

Die Klage vor dem FG war erfolgreich. Die Klägerin hat Anspruch auf Kindergeld für D für den Zeitraum von Oktober 2016 bis Oktober 2017. Der Nachweis der Behinderung kann nicht nur durch Vorlage eines entsprechenden Schwerbehindertenausweises oder Feststellungsbescheids sowie eines Rentenbescheids erfolgen, sondern auch in anderer Form erbracht werden - zum Beispiel durch das Gutachten eines Sachverständigen.

Der gesundheitliche Zustand von D wich im entsprechenden Zeitraum unzweifelhaft von dem für das Lebensalter typischen Zustand ab. D war folglich seelisch behindert. Dass es sich bei dem Sachverständigen um einen Diplom-Psychologen und Psychologischen Psychotherapeuten und nicht um einen Arzt handelte, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Auswahl des Sachverständigen stand im Ermessen des Gerichts.

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zum Thema: Einkommensteuer

(aus: Ausgabe 11/2023)

Erbfall: Rechtsberatungskosten können Nachlassverbindlichkeiten sein

Wenn man erbt, kann man von der Erbschaft unter bestimmten Umständen in Zusammenhang damit entstandene Kosten abziehen. So gibt es die Nachlassverbindlichkeiten, die steuermindernd geltend gemacht werden können. Das sind zum Beispiel Forderungen, die Dritte gegenüber dem Nachlass haben (z.B. Steuerschulden), oder auch Kosten im Zusammenhang mit der Beerdigung. Daneben gibt es noch steuerlich unbeachtliche Nachlassverwaltungskosten. Das Finanzgericht Köln (FG) hatte im Streitfall zu entscheiden, welche Art von Kosten vorliegt und ob diese abgezogen werden können.

Wenn man erbt, kann man von der Erbschaft unter bestimmten Umständen in Zusammenhang damit entstandene Kosten abziehen. So gibt es die Nachlassverbindlichkeiten, die steuermindernd geltend gemacht werden können. Das sind zum Beispiel Forderungen, die Dritte gegenüber dem Nachlass haben (z.B. Steuerschulden), oder auch Kosten im Zusammenhang mit der Beerdigung. Daneben gibt es noch steuerlich unbeachtliche Nachlassverwaltungskosten. Das Finanzgericht Köln (FG) hatte im Streitfall zu entscheiden, welche Art von Kosten vorliegt und ob diese abgezogen werden können.

Der Kläger ist zusammen mit seinem Bruder Erbe seines verstorbenen Vaters. Nach dessen Tod zog sich der Kläger gänzlich aus dem Leben zurück, öffnete seine Post nicht und war für kaum jemanden erreichbar. Auch gesundheitlich ging es ihm nicht gut. Anfangs hatte der Kläger kaum Kenntnis vom Umfang des Nachlasses. Da das Verhältnis zum Bruder eher schwierig war, führten er und sein Bruder diverse Rechtstreitigkeiten. Zudem wurden Teilungsversteigerungsverfahren zur Auflösung der Erbengemeinschaft geführt. Hierfür hatte der Kläger eine Rechtsanwaltskanzlei beauftragt. Aus den Teilungsversteigerungsverfahren ergaben sich mehrere Honorarrechnungen.

Der Bruder des Klägers reichte eine Erbschaftsteuererklärung ein, die nicht vom Kläger unterschrieben war. Das Finanzamt schätzte daraufhin zunächst die Besteuerungsgrundlagen für den Kläger. Während des Einspruchsverfahrens machte dieser unter anderem die Rechtsanwaltskosten als Nachlassverbindlichkeiten geltend, was jedoch vom Finanzamt abgelehnt wurde.

Die Klage vor dem FG war nur teilweise erfolgreich. Zu Unrecht wurden die vom Kläger getragenen Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit der Erbauseinandersetzung und den Teilungsversteigerungsverfahren nicht berücksichtigt. Die ihm entstandenen Kosten sind teilweise Nachlassverbindlichkeiten. Unter "Verteilung des Nachlasses" sind insbesondere die Aufwendungen für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft zu verstehen. Dies ist bei den Anträgen auf Teilungsversteigerung der Fall. Irrelevant ist, dass der Kläger mit seinem Bruder zerstritten war und dass die Kosten nur deswegen anfielen.

Hingegen sind die Kosten für die Rechtsvertretung zur Aufteilung der Mietkonten nicht als Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen. Hierbei handelt es sich vielmehr um Kosten der Nachlassverwaltung.

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zum Thema: Erbschaft-/Schenkungsteuer

(aus: Ausgabe 11/2023)

Vertretungszwang vor dem BFH: Schriftsätze müssen aus der Feder des Prozessbevollmächtigten stammen

Während Steuerzahler einen Rechtsstreit vor den Finanzgerichten noch selbst führen dürfen, müssen sie sich vor dem Bundesfinanzhof (BFH) zwingend durch einen Prozessbevollmächtigen wie beispielsweise einen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt vertreten lassen, denn hier gilt der sogenannte Vertretungszwang.

Während Steuerzahler einen Rechtsstreit vor den Finanzgerichten noch selbst führen dürfen, müssen sie sich vor dem Bundesfinanzhof (BFH) zwingend durch einen Prozessbevollmächtigen wie beispielsweise einen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt vertreten lassen, denn hier gilt der sogenannte Vertretungszwang.

Hinweis: Die Regelung soll sicherstellen, dass Rechtsbehelfe und Rechtsmittel vor dem BFH nur von Fachleuten eingelegt werden, die in der Lage sind, die Prozesssituation richtig einzuschätzen und das Verfahren sachgerecht zu führen. Die Vertretung ist bereits für Prozesshandlungen vorgeschrieben, mit denen ein Verfahren vor dem BFH lediglich eingeleitet wird.

Ein neuer Fall des BFH zeigt, dass Prozessbevollmächtigte aufgrund des Vertretungszwangs nicht nur bloße Mandantenzitate wiedergeben dürfen. Im zugrunde liegenden Fall ging es um die Frage, ob eine beim BFH eingereichte Nichtzulassungsbeschwerde zulässig war. Der Prozessbevollmächtigte hatte die Beschwerde mit einem Schriftsatz (unter seinem Briefkopf) begründet, in dem er lediglich ein Wortlautzitat seines Mandanten wiedergab und ergänzt hatte, dass diese Begründung ausschließlich von seinem Mandanten stamme. Die vorherige Prozessbevollmächtigte hatte in einem früheren Schriftsatz zur Beschwerdebegründung lediglich erklärt, dass der Kläger der Ansicht sei, dass die Revision zuzulassen sei.

Der BFH erkannte beide Schriftsätze nicht an und erklärte, dass Prozessbevollmächtigte aufgrund des Vertretungszwangs selbst die volle Verantwortung für die Begründung übernehmen müssten. Die Begründung muss daher von ihnen selbst stammen. Es genügt nicht, wenn sie ihre Mandanten lediglich zitieren.

Hinweis: Die Entscheidung des BFH leuchtet ein, denn ansonsten wäre der Vertretungszwang derart ausgehöhlt, dass Prozessbevollmächtigte nur ihren Briefkopf zur Verfügung stellen könnten und der Mandant unter diesem dann ohne Fachexpertise und de facto selbständig vor dem BFH agieren könnte.

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zum Thema: übrige Steuerarten

(aus: Ausgabe 11/2023)

Behindertengerechter Gartenumbau: Kosten nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzbar

Privat veranlasste Kosten dürfen in der Regel nicht steuerlich abgezogen werden, bei außergewöhnlichen Belastungen macht der Fiskus allerdings eine Ausnahme. Diese dürfen den Weg in die Einkommensteuererklärung finden, sofern sie dem Steuerzahler zwangsläufig entstanden sind. Hierfür ist es erforderlich, dass man sich den Kosten aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen konnte und sie notwendig und angemessen sind. Nicht als außergewöhnliche Belastung absetzbar sind übliche Kosten der Lebensführung und private Aufwendungen, die nicht für ein menschenwürdiges Dasein erforderlich sind.

Privat veranlasste Kosten dürfen in der Regel nicht steuerlich abgezogen werden, bei außergewöhnlichen Belastungen macht der Fiskus allerdings eine Ausnahme. Diese dürfen den Weg in die Einkommensteuererklärung finden, sofern sie dem Steuerzahler zwangsläufig entstanden sind. Hierfür ist es erforderlich, dass man sich den Kosten aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen konnte und sie notwendig und angemessen sind. Nicht als außergewöhnliche Belastung absetzbar sind übliche Kosten der Lebensführung und private Aufwendungen, die nicht für ein menschenwürdiges Dasein erforderlich sind.

In einem neuen Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) nun entschieden, dass die Kosten für einen behindertengerechten Umbau des zum selbst bewohnten Einfamilienhaus gehörenden Gartens keine außergewöhnlichen Belastungen sind.

Im zugrunde liegenden Fall litt die Klägerin an einem Post-Polio-Syndrom, aufgrund dessen sie auf einen Rollstuhl angewiesen war. Um die vor dem Haus gelegenen Pflanzenbeete weiter erreichen zu können, ließen sie und ihr Mann den Weg vor ihrem Haus in eine gepflasterte Fläche ausbauen und Hochbeete anlegen. Das Finanzamt berücksichtigte die hierfür entstandenen Aufwendungen von 7.000 EUR nicht als außergewöhnliche Belastung.

Der BFH bestätigte diese Entscheidung und verwies darauf, dass die Kosten für die Gartenumgestaltung nicht zwangsläufig erwachsen waren. Zwar war die Umbaumaßnahme eine Folge des verschlechterten Gesundheitszustands der Klägerin gewesen, gleichwohl aber waren die Aufwendungen nicht vornehmlich der Krankheit oder Behinderung geschuldet, sondern dem frei gewählten Freizeitverhalten (Gartennutzung als Hobby). Die Klägerin war nicht aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen verpflichtet gewesen, derartige Konsumaufwendungen zu tragen.

Hinweis: Der BFH zählte den Garten nicht zum existenznotwendigen Wohnumfeld. Ganz leer gingen die Kläger indes nicht aus, da sie - wie jeder andere Einkommensteuerzahler - für die angefallenen Lohnkosten zumindest den Steuerbonus für Handwerkerleistungen im Privathaushalt abziehen konnten (20 % von in diesem Fall 3.090 EUR = 618 EUR).

Information für: Hausbesitzer
zum Thema: Einkommensteuer

(aus: Ausgabe 05/2023)

Erbschaftsteuer: Familienheim steuerfrei erben, wenn es vorher vermietet war?

Unter bestimmten Voraussetzungen kann das geerbte Familienheim von der Erbschaftsteuer befreit werden. Eine dieser Bedingungen ist, dass der Erbe das Familienheim nach dem Erbfall selbst nutzt und unmittelbar (genauer gesagt: innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall) einzieht. Was aber gilt, wenn der Erblasser vorher schon nicht mehr in dem Haus gewohnt hat, weil dies aufgrund von Pflegebedürftigkeit nicht mehr möglich war? Das Finanzgericht München (FG) hatte darüber zu entscheiden.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann das geerbte Familienheim von der Erbschaftsteuer befreit werden. Eine dieser Bedingungen ist, dass der Erbe das Familienheim nach dem Erbfall selbst nutzt und unmittelbar (genauer gesagt: innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall) einzieht. Was aber gilt, wenn der Erblasser vorher schon nicht mehr in dem Haus gewohnt hat, weil dies aufgrund von Pflegebedürftigkeit nicht mehr möglich war? Das Finanzgericht München (FG) hatte darüber zu entscheiden.

Die Klägerin ist Alleinerbin ihrer im Februar 2018 verstorbenen Mutter. Im Nachlass befand sich auch der 50%ige Miteigentumsanteil an einem Zweifamilienhaus. Die Wohnung im Erdgeschoss wurde von X, dem Enkel der Erblasserin, genutzt und war zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht vermietet. Die Wohnung im Obergeschoss wurde zunächst von der Erblasserin genutzt, stand nach deren Umzug in eine Pflegeeinrichtung seit April 2014 erst leer und wurde dann befristet für den Zeitraum 01.04.2016 bis 31.03.2020 an Y vermietet, um mit der Miete die Kosten des Pflegeheims zu decken. Die Klägerin beantragte in der Erbschaftsteuererklärung die Steuerbefreiung für das Familienheim, die ihr das Finanzamt aber nicht gewährte. Im August 2020 bezog die Klägerin die Wohnung im Obergeschoss.

Die Klage vor dem FG auf Gewährung der Erbschaftsteuerbefreiung war begründet. Ein im Inland belegenes Grundstück kann steuerfrei bleiben, soweit der Erblasser dieses bis zum Erbfall selbst genutzt hat. Die Tatsache, dass die Erblasserin die Wohnung für eine befristete Dauer von vier Jahren vermietet hat, schließt eine Steuerbefreiung nicht aus. Die Erblasserin konnte die Wohnung aus zwingenden Gründen - wegen Pflegebedürftigkeit - zuletzt nicht selbst nutzen. Sie hatte auch ein berechtigtes Interesse an der Vermietung, da die Mieteinnahmen die Kosten des Pflegeheims mitfinanzieren sollten. Eine unverzügliche Selbstnutzung kann nach Ansicht des Gerichts auch vorliegen, wenn die Erbin innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Mietvertrags in die Wohnung eingezogen ist. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass während eines Zehnjahreszeitraums nach dem Erwerb die Wohnung nicht nur vom Erwerber bewohnt wird, sondern auch in dessen Eigentum verbleibt. Daher ist im Besprechungsfall die Steuerbefreiung zu gewähren.

Information für: Hausbesitzer
zum Thema: Erbschaft-/Schenkungsteuer

(aus: Ausgabe 05/2023)

Tipp für Ehegatten und Lebenspartner: Die richtige Steuerklassenwahl im laufenden Jahr

In einem neuen Merkblatt hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) dargestellt, welche Besonderheiten im Jahr 2023 bei der Wahl der Lohnsteuerklassen gelten. Die Aussagen richten sich an Ehegatten und Lebenspartner, die beide Arbeitslohn beziehen. Demnach gilt:

In einem neuen Merkblatt hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) dargestellt, welche Besonderheiten im Jahr 2023 bei der Wahl der Lohnsteuerklassen gelten. Die Aussagen richten sich an Ehegatten und Lebenspartner, die beide Arbeitslohn beziehen. Demnach gilt:

  • Die Steuerklassenkombination III/V führt zu einem optimalen Lohnsteuereinbehalt, wenn der in Steuerklasse III eingestufte Ehegatte bzw. Lebenspartner ca. 60 % und der in Steuerklasse V eingestufte Partner ca. 40 % des gemeinsamen Arbeitseinkommens erzielt. Wählt man diese Steuerklassenkombination, muss allerdings später verpflichtend eine Einkommensteuererklärung abgegeben werden (Wegfall der Antragsveranlagung).
  • Ehegatten bzw. Lebenspartner können alternativ das Faktorverfahren beantragen, bei dem das Finanzamt die Steuerklasse IV in Verbindung mit einem steuermindernden Multiplikator (sog. Faktor) einträgt. Die Eintragung dieses Faktors führt dazu, dass die Lohnsteuerlast im Wesentlichen nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne auf die Partner verteilt wird. Dieses Verfahren ist für Ehepaare und Lebenspartner mit einem großen Gehaltsunterschied interessant. Die hohe Lohnsteuerlast in Steuerklasse V wird für den geringer verdienenden Partner vermieden, so dass er einen höheren Nettolohn erhält.
  • Ehegatten und Lebenspartner sollten beachten, dass sich ein Steuerklassenwechsel bzw. die Nutzung des Faktorverfahrens auch auf die Höhe von Entgelt- bzw. Lohnersatzleistungen auswirken kann (z.B. Kurzarbeitergeld, Krankengeld, Elterngeld). Daher empfiehlt das BMF, sich vor einem Wechsel der Steuerklasse oder einem Wechsel in das Faktorverfahren beim zuständigen Sozialleistungsträger bzw. Arbeitgeber über die Folgen zu informieren.
  • Wer seine Steuerklasse wechseln bzw. das Faktorverfahren beanspruchen will, muss sich an sein aktuelles Wohnsitzfinanzamt wenden. Ein entsprechender Antrag kann für das Jahr 2023 spätestens bis zum 30.11.2023 gestellt werden.

Hinweis: Das Merkblatt des BMF enthält Tabellen mit gestaffelten Arbeitslöhnen, aus denen Ehegatten und Lebenspartner die für sie günstigste Steuerklassenkombination ablesen können. Online lässt sich der voraussichtliche Lohnsteuereinbehalt in den verschiedenen Konstellationen unter www.bmf-steuerrechner.de durchspielen.

Information für: Arbeitgeber und Arbeitnehmer
zum Thema: Einkommensteuer

(aus: Ausgabe 05/2023)

Verkürzte tatsächliche Nutzungsdauer: Wann sich eine schnellere Abschreibung von Immobilien erreichen lässt

Vermietete Immobilien im Privatvermögen, die ab 2023 fertiggestellt werden, können mit jährlich 3 % abgeschrieben werden (lineare Absetzung für Abnutzung, kurz AfA). Bei Fertigstellung vor 2023 gilt ein AfA-Satz von 2 %. Alte Gebäude mit Baujahren vor 1925 lassen sich mit 2,5 % abschreiben.

Vermietete Immobilien im Privatvermögen, die ab 2023 fertiggestellt werden, können mit jährlich 3 % abgeschrieben werden (lineare Absetzung für Abnutzung, kurz AfA). Bei Fertigstellung vor 2023 gilt ein AfA-Satz von 2 %. Alte Gebäude mit Baujahren vor 1925 lassen sich mit 2,5 % abschreiben.

Hinweis: Sofern sich die Immobilie im Betriebsvermögen befindet und nicht zu Wohnzwecken genutzt wird, gilt für Baujahre ab 1985 einheitlich ein AfA-Satz von 3 % (bei Baubeginn oder Kauf vor 2001: 4 %).

Vom Gesetz her wird also - je nach Fallgestaltung - eine typisierte Nutzungsdauer eines Gebäudes von 25, 33, 40 oder 50 Jahren angenommen. Die festen AfA-Sätze müssen unabhängig vom tatsächlichen Alter des Gebäudes angewandt werden. Sie gelten auch für erworbene Bestandsimmobilien. Immobilieneigentümer haben aber in engen Grenzen die Möglichkeit, von den typisierten AfA-Sätzen abzuweichen und eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer nachzuweisen, so dass sich die Abschreibung beschleunigen lässt. Aus dem Nachweis müssen sich Rückschlüsse auf die maßgeblichen Faktoren für die verkürzte Nutzungsdauer ergeben (z.B. technischer Verschleiß, wirtschaftliche Entwertung der Immobilie, rechtliche Nutzungsbeschränkungen). Das Bundesfinanzministerium hat nun dargelegt, wann die Finanzämter eine verkürzte Nutzungsdauer akzeptieren:

  • Es bedarf einer konkreten Rechtfertigung für eine verkürzte tatsächliche Nutzungsdauer. Der Eigentümer muss darlegen, dass das Gebäude vor Ablauf der typisierten Zeiträume bereits technisch oder wirtschaftlich verbraucht ist.
  • Eine verkürzte Nutzungsdauer kann beispielsweise anzuerkennen sein, wenn der Eigentümer bereits zum Abbruch des Gebäudes verpflichtet ist.
  • Für besondere Betriebsgebäude (z.B. Hallen in Leichtbauweise) kann sich eine verkürzte Nutzungsdauer bereits aus den amtlichen AfA-Tabellen ergeben. Gleiches gilt für Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind (z.B. Ladeneinbauten).
  • Für Mietereinbauten kann eine verkürzte Nutzungsdauer aus der begrenzten Mietdauer hergeleitet werden.
  • Die tatsächliche Nutzungsdauer wird auch durch den technischen Verschleiß beeinflusst. Hierfür ist etwa zu beurteilen, inwieweit die Tragstruktur des Bauwerks (insbesondere Wände und Dach) die Nutzungsfähigkeit des Gebäudes beschränkt.
  • Zum Nachweis einer verkürzten Nutzungsdauer muss ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von (un-)bebauten Grundstücken oder einer Person vorgelegt werden, die als Sachverständiger oder Gutachter entsprechend akkreditiert ist.
Information für: Hausbesitzer
zum Thema: Einkommensteuer

(aus: Ausgabe 05/2023)

Kryptowährungen: Spekulationsgewinne müssen versteuert werden

In der Vergangenheit haben Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum wahre Kursfeuerwerke hingelegt, so dass manche Spekulanten erhebliche Kursgewinne eingefahren haben. Ein solcher Fall hat jetzt auch den Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt: Eine Privatperson aus Nordrhein-Westfalen hatte verschiedene Kryptowährungen - unter anderem Bitcoins, Ethereum und Monero - privat erworben, getauscht und wieder veräußert. Im Jahr 2017 hatte sie daraus einen Gewinn in Höhe von insgesamt 3,4 Mio. EUR erzielt, den das Finanzamt der Einkommensteuer unterwarf.

In der Vergangenheit haben Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum wahre Kursfeuerwerke hingelegt, so dass manche Spekulanten erhebliche Kursgewinne eingefahren haben. Ein solcher Fall hat jetzt auch den Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt: Eine Privatperson aus Nordrhein-Westfalen hatte verschiedene Kryptowährungen - unter anderem Bitcoins, Ethereum und Monero - privat erworben, getauscht und wieder veräußert. Im Jahr 2017 hatte sie daraus einen Gewinn in Höhe von insgesamt 3,4 Mio. EUR erzielt, den das Finanzamt der Einkommensteuer unterwarf.

Der BFH bestätigte die Steuerpflicht und entschied, dass Veräußerungsgewinne, die ein Spekulant innerhalb eines Jahres aus dem Verkauf oder dem Tausch von Kryptowährungen erzielt, als privates Veräußerungsgeschäft versteuert werden müssen. Virtuelle Währungen (Currency Token, Payment Token) stellen nach Auffassung des BFH ein "anderes Wirtschaftsgut"  im Sinne der Regelungen zu privaten Veräußerungsgeschäften dar. Der Begriff des Wirtschaftsguts ist weit zu fassen. Er beinhaltet neben Sachen und Rechten auch tatsächliche Zustände sowie konkrete Möglichkeiten und Vorteile, deren Erlangung sich ein Steuerzahler etwas kosten lässt und die nach der Verkehrsauffassung einer gesonderten selbständigen Bewertung zugänglich sind. Diese Voraussetzungen sind bei virtuellen Währungen nach Gerichtsmeinung erfüllt.

Bitcoin, Ethereum und Monero sind wirtschaftlich betrachtet als Zahlungsmittel anzusehen. Sie werden auf Handelsplattformen und Börsen gehandelt, haben einen Kurswert und können für direkt zwischen Beteiligten abzuwickelnde Zahlungsvorgänge verwendet werden. Technische Details virtueller Währungen sind für die Eigenschaft als Wirtschaftsgut nicht von Bedeutung. Erfolgen Anschaffung und Veräußerung oder Tausch der Token innerhalb eines Jahres, so unterliegen daraus erzielte Gewinne oder Verluste daher im Ergebnis der Besteuerung.

Hinweis: Die realisierten Wertzuwächse sind demnach genau wie beim Verkauf von Goldbarren, Oldtimern oder Kunstwerken als "sonstige Einkünfte" zu versteuern. Unerheblich ist, ob der Gewinn durch einen Verkauf von Coins, das Bezahlen beim Onlineshopping oder den Umtausch in eine andere Kryptowährung erzielt wird. Da sich der Gewinn aus dem Veräußerungspreis abzüglich der Anschaffungskosten und den Veräußerungskosten errechnet, sollten Anleger unbedingt den Anschaffungs- und Veräußerungsvorgang dokumentieren (z.B. in einem Transaktionstagebuch).

Information für: Kapitalanleger
zum Thema: Einkommensteuer

(aus: Ausgabe 05/2023)

Öffentlich geförderter Wohnraum: Pflicht zur verbilligten Vermietung erhöht nicht die Grunderwerbsteuer

Bei einem Grundstückskauf bemisst sich die Grunderwerbsteuer nach dem Wert der Gegenleistung. Hierzu gehören neben dem Kaufpreis auch die vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Werterhöhend müssen daher beispielsweise Verpflichtungen erfasst werden, die der Erwerber vom Veräußerer übernimmt.

Bei einem Grundstückskauf bemisst sich die Grunderwerbsteuer nach dem Wert der Gegenleistung. Hierzu gehören neben dem Kaufpreis auch die vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Werterhöhend müssen daher beispielsweise Verpflichtungen erfasst werden, die der Erwerber vom Veräußerer übernimmt.

In einem neuen Urteil hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) mit der Frage befasst, ob Verpflichtungen im Rahmen eines öffentlichen Wohnraumfördermodells eine grunderwerbsteuerliche Gegenleistung darstellen. Im zugrunde liegenden Fall hatte eine Investorin im Jahr 2015 unbebaute Grundstücke erworben. Nach einem städtebaulichen Vertrag hatte für die Grundstücke die Verpflichtung bestanden, dort geförderten Wohnraum herzustellen. Der Vertrag sah eine künftig verbilligte Vermietung an Personen vor, die von der Stadt zu benennen waren. Im Gegenzug bewilligte die Stadt der Investorin nach Kaufvertragsabschluss niedrigverzinsliche Darlehen.

Das Finanzamt berechnete die Grunderwerbsteuer nicht nur auf Grundlage des reinen Kaufpreises, sondern bezog auch die Verpflichtung zur verbilligten Vermietung als sonstige Leistung ein (mit dem kapitalisierten Wert). Der BFH lehnte dies jedoch ab und urteilte, dass die Verpflichtung zur verbilligten Vermietung keine grunderwerbsteuerliche Gegenleistung war. Die Verpflichtung war der Investorin rechtlich bindend erst in den Förderbescheiden auferlegt worden, sie war somit nicht von der Veräußerin übernommen worden. Selbst wenn man aber - wie das Finanzgericht in der Vorinstanz - von einer übernommenen Verpflichtung ausginge, läge ebenfalls keine sonstige Leistung vor.

Der BFH verwies auf die Rechtsprechung zum sozialen Wohnungsbau, wonach eine auf den Erwerber übergehende Mietpreisbindung nicht zusätzlich als sonstige Leistung anzusehen ist. Diese Rechtsprechung gilt nicht nur, wenn der Käufer vom Verkäufer neben der Mietpreisbindung direkt auch die im Gegenzug gewährten Darlehen übernimmt, sondern auch dann, wenn die Darlehen - wie im Urteilsfall - erst nach Kaufvertragsabschluss an den neuen Eigentümer ausgereicht werden. Im Gesamtkonzept der staatlichen Wohnraumförderung kommt der Mietpreisbindung kein eigenständiger Wert zu, stattdessen muss sie in Zusammenhang mit den "verknüpften" zinsgünstigen Darlehen gesehen werden.

Information für: Hausbesitzer
zum Thema: Grunderwerbsteuer

(aus: Ausgabe 05/2023)